„Ich bin ein Instrument der Stoffevaluation“ – Robert Pfeffer gewährt einen Blick hinter die TV-Kulissen

Robert Pfeffer erklärt im Interview, was seine Kriterien für ein gutes Drehbuch sind. (Foto: Carsten Vogel)

Von Luca Adolph und Christoph Bosien.

Robert Pfeffer hat unter anderem Germanistik und Soziologie studiert. Er ist als Dozent in Dortmund an der WAM Medienakademie tätig. Hauptberuflich ist er aber als In-House-Lektor im Bereich Fiction der Mediengruppe RTL (RTL Television, Vox, TV Now) angestellt, wo er der Bereichsleitung zuarbeitet. Sich selbst beschreibt er als „Instrument der Stoffevaluation“.

Herr Pfeffer, Sie kommen ursprünglich aus Berlin, arbeiten aber mittlerweile beim Privatsender RTL, der seinen Sitz in Köln hat. Leben Sie mittlerweile auch in Köln?

Robert Pfeffer: Als ich 2004 bei RTL angefangen habe, bin ich zwischen Berlin und Köln noch gependelt. Nachdem meine älteste Tochter geboren wurde, bin ich 2006 schließlich nach Köln gezogen.

Ein Blick auf Ihren bisherigen Werdegang zeigt, dass Sie sehr vielseitig sind. Sie haben Theaterprojekte mitgestaltet und waren als Autor sowie als Dramaturg tätig. Würden Sie sich selbst als „Allrounder“ bezeichnen?

Robert Pfeffer: Nein, als „Allrounder“ sehe ich mich nicht. Als ich Freiberufler war, lautete meine Berufsbezeichnung „Lektor, Dramaturg und Autor“. Ich habe beispielsweise jahrelang für den Langenscheidt-Verlag Kalendertexte geschrieben. Das war zwar auch eine Autorentätigkeit, aber eher eine kleinere, weil es immer nur um Texte im Umfang von 300–400 Zeichen ging. Dennoch war es spannend und hat mich auf die Lektoratsarbeit vorbereitet. Auch da heißt es oft: „Fasse dich kurz!“ (lacht)

Was genau ist denn nun Ihre Aufgabe als Lektor und Dramaturg?

Robert Pfeffer: Ein*e Dramaturg*in ist in der Stoffentwicklung tätig. Das heißt, man liefert eine dramaturgische Analyse und darüber hinaus auch Ansätze, wie ein vorliegender Stoff verbessert werden kann. Natürlich arbeitet man auch mit Autor*innen zusammen. Das Lektorat dagegen liefert lediglich eine Bestandsaufnahme von dem, was bereits vorhanden ist. Aus diesem Grund wird eine dramaturgische Analyse besser bezahlt als ein Drehbuch-Lektorat.

Macht es denn einen Unterschied, ob man als Dramaturg*in freiberuflich unterwegs oder festangestellt ist?

Robert Pfeffer: Das Wichtigste beim Lektorat ist, dass man für seinen Auftraggeber arbeitet und durch dessen Brille schaut. Ein Entwurf für RTL ist also nicht unbedingt einer für ARTE – die Branche ist sehr vielfältig Ein*e Lektor*in muss sich daher detailliert mit den Anforderungen und der jeweiligen strategischen Ausrichtung und Ansprache des Auftraggebers auseinadersetzen, um den vorliegenden Entwurf dementsprechend einzuordnen.  

Tauschen Sie sich auch mit den Regisseur*innen oder Schauspieler*innen aus?

Robert Pfeffer: Weil ich so lange dabei bin, kenne ich den Redakteur, mitunter den Produzenten und auch ein paar Autor*innen. Ich habe aber an keinem Stoffentwicklungsgespräch teilgenommen. Mein Job besteht vorrangig darin, die Leitung in der Stoffauswahl zu beraten, sowie die Redakteure für ihre Entwicklungsgespräche zu unterstützen. Der Austausch mit Regisseur*innen und Schauspieler*innen obliegt vorrangig anderen Schnittstellen. 

Was macht für Sie ein gutes Drehbuch aus? Muss es in ein Schema passen?

Robert Pfeffer: Naja, ein Drehbuch muss in sich stimmig sein. Es kann unheimlich vielen dramaturgischen Modellen und Erzählweisen folgen. Und nicht jedes Modell passt zu jedem Auftraggeber, schließlich gibt es unterschiedliche Zielgruppen.

(Foto: Carsten Vogel)

Kann ein*e Lektor*in wie ein*e Filmkritiker*in das Endprodukt im Nachhinein noch bewerten?

Robert Pfeffer: Ich kenne einen freien Lektor, der auch als Filmkritiker gearbeitet hat. Ihm war aber jederzeit bewusst, dass er in unterschiedliche Rollen geschlüpft ist. Als Kritiker will er Leuten einen Film empfehlen oder davon abraten, dabei kann er auch mal polemisieren. Ein Lektor hilft bei der Entscheidung, ob ein Stoff überhaupt umgesetzt werden soll.

Müssen Sie alle Stoffe bearbeiten oder können Sie auch welche ablehnen?

Robert Pfeffer: Ich bearbeite alle Stoffe, die ich bekomme. Mittlerweile kann ich gut einschätzen, was relevant ist und was nicht. Aufgrund der sehr großen Flut an Stoffeinreichungen muss ich delegieren oder bekomme Unterstützung von freien Lektor*innen. Hin und wieder gebe ich in meiner Funktion als Dramaturg und Dozent auch Feedback an Leute, die neu in der Branche sind. Und auch innerhalb der Redaktion führen wir im Team Bewertungsgespräche zur Einschätzung und Analyse, zu denen ich meine Expertise beitrage. 

Müssen Sie bei Ihrer Arbeit auch viel recherchieren?

Natürlich. Recherchieren ist sehr wichtig. Man sollte sich aber grundsätzlich in dem Bereich auskennen, in dem man arbeitet. Und sich intensiv mit ihm beschäftigen – deshalb sehe ich mir viele RTL-Sendungen an, um immer auf dem Laufenden zu bleiben und die Sender-Identität in Gänze zu erfassen. 

Macht sich der Konkurrenzkampf mit Streaming-Plattformen wie Netflix auch bei Ihnen bemerkbar?

Robert Pfeffer: Die Branche ist eindeutig vielfältiger geworden. Es gibt diverse neue Formate und Erzählweisen. Aber es sind zwei große Trends, die das Arbeiten mit Stoffen in der gesamten Branche verändert haben: Internationalisierung und Digitalisierung. Als ich angefangen habe, kannten viele Leute bestimmte Formate aus Amerika nicht. Heutzutage kann man nahezu zeitgleich dieselben Serien konsumieren.

Dadurch haben sich bestimmt auch die Sehgewohnheiten der Leute verändert.

Robert Pfeffer: Es ist immer eine Frage, welche Zielgruppe was konsumiert. Gewisse Formen von HBO- oder Netflix-Serien haben traditionell etwas romanhaftes und werden auch so geguckt. Andere Serien sind klare Unterhaltungsformate, die zum Beispiel nicht für Bingewatching ausgelegt sind. Die Intention des linearen Konsums ist auch deutlich von der Streaming-Nutzung zu unterscheiden. Es sind nicht nur unterschiedliche Abspielwege, sondern sie bedienen auch unterschiedliche Bedürfnisse, Zwecke und Sehgewohnheiten. So unterschiedlich die diversen Zielgruppen sind, so unterschiedlich ist auch ihr Sehverhalten. 

Sie waren in einer Arbeitsgruppe vom Verband der Dramaturgen, die an einer Neusetzung der Lektorenstandards arbeitet. Wie kam es dazu?

Robert Pfeffer: Es gab ungefähr 15 Jahre lang ein Standardlektorat vom Medienboard Berlin-Brandenburg. Das war eine gute Grundlage. Dann hat der Verband der Dramaturgen aber beschlossen, einen neuen Leitfaden zu entwickeln. In den vergangenen zwei Jahren gab es dann auch Überlegungen, Standards für Spiel- und Dokumentarfilme durch ein Serienlektorat zu ergänzen. Auch könnte man Computerspiele einbeziehen. Wir hoffen, den Leitfaden dann in der nächsten Ausgabe unseres Fachmagazins „Wendepunkt“ veröffentlichen zu können.

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