Drehbuch-Autorin Dinah Marte Golch im Interview: „Ich habe drei Arbeitsplätze“

„Beim Drehbuch habe ich gelernt, dass ich keinen Job annehmen sollte, wenn ich nicht mit Leidenschaft dabei bin.“ (Foto: Carsten Vogel)

Von Louisa Melzow.

Dinah Marte Golch ist freiberufliche Autorin von preisgekrönten Drehbüchern und Kriminalromanen. Auf ihrem Blog „Mein Leben als Auftragsmörderin“ schreibt sie, dass sie schon mit fünf Jahren Schriftstellerin sein wollte. 

Mit 17 haben Sie ein Jahr die Schule während der Oberstufe ausgesetzt, um als Werbetexterin zu arbeiten. Wie hat ihr Umfeld darauf reagiert?

Dinah Marte Golch: Ich kam gerade in die zwölfte Klasse und war damals sehr unsicher, was ich nach dem Abi tun sollte. Ich habe mich gefragt: Wozu das alles? Viele meiner Mitschüler*innen sind in der Zeit ins Ausland gegangen und da kam mir die Idee, ebenfalls die Schule auszusetzen, arbeiten zu gehen und danach mein Abitur zu machen. Meine Eltern waren mit der Idee natürlich nicht einverstanden, also bin ich heimlich zum Direktor gegangen und habe so getan, als wären meine Eltern einverstanden – deshalb war es der Direktor auch. Sechs Wochen lang bin ich statt in die Schule einfach jeden Tag in die Stadtbücherei gegangen. Erst anschließend habe ich meinen Eltern mitgeteilt, dass ich die Klausuren verpasst hätte und sowieso das Schuljahr nicht beenden könne. Mit einer Unterschrift von ihnen könne ich die Zeit trotzdem sinnvoll nutzen und arbeiten gehen. Meine Eltern sind ausgerastet, aber meine Mutter hat letztendlich unterschrieben (lacht).

Und wie ging es dann weiter?

Dinah Marte Golch: Nach einem Jahr in der Werbebranche bin ich wieder zur Schule gegangen und habe nachmittags in der Agentur weitergearbeitet. Es gab zwar ein, zwei Momente, in denen ich überlegt hatte, die Schule doch nicht mehr abzuschließen, aber ich wollte mir die Möglichkeit eines Studiums noch offenhalten. Im Nachhinein bin ich sehr froh, mich so entschieden zu haben. 

Kommen Sie aus einer künstlerisch veranlagten Familie?

Dinah Marte Golch: Nein, gar nicht. Mein Vater ist Arzt und meine Mutter war Fremdsprachenkorrespondentin, bevor sie wegen der fünf Kinder zuhause geblieben ist. Meine älteste Schwester ist Apothekerin, der ältere Bruder Rettungsassistent. Meine jüngere Schwester hat fünf verschiedene Studiengänge ausprobiert, und mein jüngerer Bruder hat Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Momentan macht er seinen Doktor in München. 

Sie selbst haben keine Kinder. Werden Sie manchmal mit dem stereotypen Gesellschaftsbild der Ehefrau und Mutter konfrontiert? 

Dinah Marte Golch: Früher in meinem Freundeskreis wurde schon mal gefragt, ob ich denn nicht Familie haben wolle, aber sonst werde ich eher weniger damit konfrontiert. Generell ist es mir nur sehr selten passiert, dass ich in der Branche anders behandelt wurde, weil ich eine Frau bin. Das hat natürlich viel mit meinem Auftreten zu tun. Auch wenn sich schon einiges in Sachen Gleichberechtigung getan hat, ist das nach wie vor ein gesellschaftliches Problem – auch in der Filmbranche. 

(Foto: Carsten Vogel)

Wie handhaben Sie es mit der Work-Life-Balance? Ist das eine besondere Herausforderung, wenn man freiberuflich arbeitet? 

Dinah Marte Golch: Bis Ende 20 habe ich oft abends und am Wochenende gearbeitet, aber als ich als Producerin für die Krimireihe „Stadt, Land, Mord“ tätig war, habe ich mir eine richtige Struktur angewöhnt: Dreimal am Tag feste Mahlzeiten und Feierabend um 19 Uhr. Am Wochenende frei, außer eine Deadline naht. Dann arbeite ich allerdings möglichst nur bis mittags. 

Eine gute Arbeitsstruktur braucht also nicht nur Phasen des disziplinierten Arbeitens, sondern auch Erholungsphasen. Es ist einfach wichtig, dass man den Schreibtisch mal verlässt und so erneut Kreativität tanken kann. In der freien Zeit pflege ich meine Freundschaften, gehe mit meinem Hund spazieren oder verreise. Das Abschalten muss man auch erstmal lernen.

Was haben Sie für Strategien, um diese Struktur beizubehalten? Wie sieht Ihr Arbeitsumfeld aus?

Dinah Marte Golch: Ich habe drei Arbeitsplätze. Es gibt Phasen, in denen schreibe ich wochenlang in meinem Lieblings-Arbeits-Café in Berlin. Die Menschen dort kennen mich schon, lassen mich in Ruhe arbeiten und bringen mir immer das Übliche (lacht). Außerdem bin ich in einer Bürogemeinschaft. Das funktioniert sehr gut. Die halbe Stunde Fahrt mit der U-Bahn trennt Wohnung und Arbeit; ich kann mich dort sehr gut konzentrieren und zusätzlich mit Kolleg*innen vom Film austauschen. Trotzdem steht ein kleiner Schreibtisch in meinem Wohnzimmer, dann kann ich morgens gleich in Pyjama-Hose loslegen, wenn mir danach ist. Mein Tagesablauf wird zusätzlich durch meinen Hund bestimmt, der muss mehrfach am Tag nach draußen. Die frische Luft und die Bewegung helfen beim Abschalten. 

Wie gehen Sie mit Kritik an Ihrer Arbeit um?

Dinah Marte Golch: Wenn man mit Kritik konfrontiert wird, ist es am besten, erstmal durchzuatmen und Distanz zu schaffen, sodass man die eigene Arbeit nicht mehr als sein „Baby“ betrachtet, sondern als reines Produkt. Es macht auch einen Unterschied, ob es nur um ein paar Seiten geht oder um ein ganzes Manuskript, an dem ich ein halbes Jahr geschrieben habe. Konstruktive Kritik sollte man annehmen und sinnvoll in die Arbeit einfließen lassen. 

Mussten Sie anfangs eigentlich Aufträge annehmen, die Ihnen gar nicht gefallen haben?   

Dinah Marte Golch: In meiner Zeit als Werbetexterin habe ich tatsächlich viele Aufträge angenommen, aus Sorge davor, nichts Neues mehr zu bekommen, wenn ich einen Auftrag mal ablehne. Das war aber nie der Fall. Beim Drehbuch habe ich dann gelernt, dass ich keinen Job annehmen sollte, wenn ich nicht mit Leidenschaft dabei bin. Ich möchte mich nicht an Projekten totarbeiten, für die ich mich nicht begeistern kann. Andersherum: wenn zu viel Herzblut dabei ist, verbrennt man sich leicht an den Dingen, für die man eigentlich Feuer und Flamme ist. Aber auch das lernt man mit der Zeit. Es passiert immer wieder, dass man mal zu viel oder zu wenig macht. So ist das Leben (lacht). 

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