Leiterin der Duden-Wörterbuchredaktion Kathrin Kunkel-Razum: „Sprache, ein Spiegel unserer Zeit“

Kathrin Kunkel-Razum mit ihren Kolleginnen (Foto: Felix Pöhland Photography).

Von Kara Ehlert.

Kathrin Kunkel-Razum lächelt während der Zoomkonferenz des Workshops „Germanistik im Beruf“ in die Kamera. Als Leiterin der Duden-Wörterbuchredaktion erzählt sie offen und begeistert über ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Kunkel-Razum studierte Germanistik und Geschichte in Leipzig. Jahre später wurde sie Lektorin und Dozentin für Deutsch an der Universität in Madrid, promovierte zum Thema Redewendungen und wurde dann stellvertretende Chefredakteurin der „Zeitschrift für Germanistik“. Ihre Begeisterung für Sprache fing schon im Studium an. Sprache, so wird schnell deutlich, ist für sie kein rein wissenschaftlicher Gegenstand, sondern ein alltägliches Kommunikationsmedium und, so fügt sie hinzu, „ein Spiegel der Zeit“.

Neue Herausforderungen, neue Wörter

Die Corona-Pandemie ist dafür ein gutes Beispiel, weil durch sie viele Wortschöpfungen hervorgebracht werden. Einige Wörter davon haben es bereits in die aktuelle Dudenausgabe geschafft.  Das Wort „Coronafrisur“ hatte dabei eher schlechte Chancen. „Coronakrise“ oder „Geisterspiele“ dagegen sind inzwischen weit verbreitete Begriffe, die über einen längeren Zeitraum im Umlauf waren und aufgenommen wurden. Zu den Aufgaben von Kunkel-Razum gehört es, ausfindig zu machen, welche Wörter besonders häufig genutzt werden. Hierfür greift die Dudenredaktion auf eine Datenbank zurück, die über vier Milliarden Wortformen enthält. Der Inhalt dieser Datenbank stammt aus Zeitungen, dazu kommen viele Einträge aus anderen Textsorten.

In den vergangenen Jahren erfreute sich beispielsweise die App Tinder vor allem bei jungen Menschen einer großen Beliebtheit, weshalb „tindern“ 2017 in den Duden aufgenommen wurde. Tinder bedankte sich dafür höchstpersönlich. Andere Unternehmen, so Kunkel-Razum, seien diesbezüglich empfindlicher und fordern eine besondere Absprache. Im August 2020 erschien dann die 28. Auflage des Dudens. 3000 neue Wörter sind hinzugekommen und 300 gestrichen worden, sodass er nun ungefähr 148.000 Wörter umfasst. Der Verlag stößt dabei immer wieder auf neue Herausforderungen. Dazu gehörte auch schon die Rechtschreibreform 1996. Damals hagelte es viel Kritik. „Solche Auseinandersetzungen gehören zu meiner Arbeit. Menschen gehen eben sehr emotional mit Sprache um“, bestätigt Kunkel-Razum. 

Sprachbewusstsein und Genderdebatte

Ihr Berufsalltag folgt immer aktuellen, zeitgemäßen Entwicklungen, wie zum Beispiel Klima, Umwelt, Digitalisierung, Alltagsrassismus und Diskriminierung. „Der Inhalt von Wörterbüchern ist nicht in Stein gemeißelt“, sagt Kunkel-Razum, „in den vergangenen Jahren haben wir uns dabei vor allem mit Anglizismen und der aktuellen Genderdebatte auseinandergesetzt.“ Auch das ZDF hat Kunkel-Razum um Rat gefragt, weil der Sender viele Beschwerden über Nichtbeachtung des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs erhält. Die konsequente Umsetzung gendergerechten Sprechens stellt sowohl für Firmen als auch für Journalist*innen immer wieder einen Stolperstein dar, weshalb der Verlag sehr oft Anfragen zu dem Thema bekommt. „Man macht sich damit viele Freunde, aber auch viele Feinde“, stellt Kunkel-Razum mit einem Augenzwinkern fest. 

In ihrem Beruf hat sie offensichtlich viel erlebt. Die Anekdoten aus ihrer bisherigen Tätigkeit als Leiterin der Duden-Redaktion sind lehrreich und werden von ihr unterhaltsam vorgetragen. Kunkel-Razum verdeutlicht, dass ihr vor allem eins an ihrer Arbeit und im eigenen Alltag wichtig ist: ein Bewusstsein für Sprache und ihre Bedeutung zu entwickeln.

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