„Aus den Händen vieler Generationen“: Laura Marie Pohlmann über ihre Tätigkeit in Bibliothek und Archiv

Laura Marie Pohlmann gibt Studierenden Einblicke in ihren Arbeitsplatz – auch digital (Foto: Laura Marie Pohlmann).

Von Jonas Mülhausen und Melina Lange.

Bücher, Mappen, Kästen und Kataloge – alles, womit Archivar*innen und Bibliothekar*innen täglich zu tun haben, fehlt bei Laura Marie Pohlmann. Denn während ihres Vortrags befindet sie sich nicht an ihrem Arbeitsplatz, sondern im Homeoffice. In der Zoomkonferenz von ‚Germanistik im Beruf‘ ist als Hintergrund nur die weiße Wand des Arbeitszimmers ihrer Dachgeschosswohnung zu sehen.  „Privat sammle ich lieber Schallplatten als Bücher“, sagt sie lachend und stellt selbst fest, dass es paradox wirkt, als Fachreferentin im Bibliotheks- und Archivwesen zuhause wenig Bücher zu haben. 

Ihr Werdegang begann in Münster mit dem Studium der Deutschen Philologie, Geschichte und Philosophie. Eine Fächerkombination mit Synergieeffekt, handelt es sich doch auch bei Germanistik und Philosophie um historisch orientierte Wissenschaften. Als studentische Hilfskraft in der Bibliothek des Germanistischen Instituts der WWU sammelte sie erste Erfahrungen mit der Katalogisierung von Büchern. Die Tätigkeiten in dieser Bibliothek haben mich sehr geprägt“, erzählt Pohlmann gleich zu Beginn ihres Vortrags. „Viel gelernt und erfahren habe ich insbesondere, als die ehemaligen Fachbibliotheken 2010/11 umziehen mussten und der Buchbestand neu aufgestellt und später neu systematisiert werden musste. Ich glaube, ich habe dort jedes zweite Buch in der Hand gehabt.“ 

Sammeln und Erschließen: Arbeiten am Deutschen Literaturarchiv 

Nicht zuletzt aufgrund ihrer Katalogisierungserfahrung erhielt sie 2014 nach Abschluss ihres Studiums die Chance, Projektmitarbeiterin am Deutschen Literaturarchiv in Marbach (DLA) zu werden, einem der größten Literaturarchive Deutschlands, wo sie für die Bearbeitung einer Online-Personalbibliographie zu Alfred Döblin verantwortlich war. Ihr Arbeitsschwerpunkt dort liegt vor allem im Bereich der Erschließung von Dokumenten, die eine der Basistätigkeiten in Bibliotheken und Archiven ist; sie hat das Ziel, Überlieferungsträger, oder generell Informationsträger und Daten in ein stimmiges und benutzungsfreundliches Ordnungssystem zu überführen, um sie überhaupt recherchierbar und auffindbar zu machen. 

Neben der Erhebung, Systematisierung und Verknüpfung ist auch die Aktualisierung der Katalogdaten eine wichtige Aufgabe der Erschließung. Das Informationsangebot muss stets erweitert und an neue Erfordernisse angepasst werden, gegebenenfalls müssen Verzeichnisse auch in ein neues Format überführt werden. Man denke beispielsweise an die Überführung der Kartenkataloge in elektronische Verzeichnisse, die in den 1990er Jahren einen immensen Aufwand bedeutete. Heutzutage spielt natürlich die Digitalisierung eine große Rolle, wobei die Erschließung nicht hinfällig wird: „Es hilft nichts, dass es Digitalisate gibt, wenn sie nicht recherchierbar sind“, sagt Pohlmann. Um die Auffindbarkeit der Digitalisate zu gewährleisten, sind hochwertige Daten nötig.  

Master-Studium in Köln und Promotion über Rilke in Osnabrück

Während ihrer Tätigkeit in Marbach absolvierte Pohlmann an der Technischen Hochschule Köln den berufsbegleitenden Master in Library and Information Science (MA.LIS). Hier erwarb und vertiefte sie in vier Semestern Kenntnisse über Bereiche wie Bibliotheksrecht, Personalmanagement oder Informationstechnologien. Im Augenblick jedoch erschließt sie Manuskripte Rainer Maria Rilkes und kommuniziert mit Bibliotheken, Archiven und Privatsammlungen aus aller Welt. Die dort angefragten Quellen müssen von ihr akribisch überprüft werden, bevor sie in das sogenannte Quellenrepertorium aufgenommen werden,  das die Grundlage sein wird für die neue historisch-kritische Ausgabe der Werke Rilkes. Diese Ausgabe entsteht in Zusammenhang mit weiteren Kooperationspartnern an der Universität Osnabrück, wo sich auch die Arbeitsstelle Rilkes Sämtliche Werke befindet, bei der Pohlmann als wissenschaftliche Mitarbeiterin angestellt war.

Für Pohlmann eine ideale Situation, schließlich arbeitete sie zugleich an ihrer Dissertation über die Handschriften Rilkes: „Ein erheblicher Teil meines Projekts ist aus meiner Tätigkeit an der Rilke-Arbeitsstelle ‚herausgewachsen‘.“ Für den Werdegang im Berufsfeld Archiv sei eine Promotion durchaus relevant: „Je nach angestrebter Position ist das in der Regel erwünscht. Die Ansprüche im Bereich Bibliothek und Archiv sind aber über akademische Titel hinaus ziemlich hoch.“ Vor allem Geduld, Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit seien notwendig oder zumindest von Vorteil. Und Begeisterungsfähigkeit für historische Dokumente, die manchmal einen langen Weg hinter sich haben, bevor sie in den Archiven landen: „Viele Objekte erzählen eine Geschichte über ihren Inhalt hinaus, eine Geschichte unterschiedlicher Besitzverhältnisse und Sammlungszusammenhänge, die sich zum Beispiel in Besitzvermerken und unterschiedlichen Gebrauchsspuren manifestieren. Ich halte teilweise Werke in den Händen, die bereits viele Generationen von Forschern und Sammlern durchlaufen haben. Mit solchen Handschriften und Buchbeständen zu arbeiten, ist immer etwas ganz Besonderes.“

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