Herbert Knorr im Interview: Manchmal lohnt es sich zu stolpern

Herbert Knorr (Foto: Carsten Vogel)
Herbert Knorr (Foto: Carsten Vogel)

Von Lena Marie Brinkmann.

Herbert Knorr ist Leiter des Westfälischen Literaturbüros in Unna. Neben zahlreichen Veröffentlichungen von Sachbüchern, Satiren und Kurzkrimis leitet der mittlerweile 66-Jährige auch das größte internationale Krimifestival Europas „Mord am Hellweg”. Der promovierte Literaturwissenschaftler sprach am Rande des Workshops zu der Übung „Germanistik im Beruf” mit Lena Marie Brinkmann über Arthur Schnitzler, das Literaturbüro, aber auch über seine Kultur-Pommesbude und seine Fußball-Leidenschaft.

Herr Knorr, auf Ihrer Website zitieren Sie Kafka: „Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt, stolpern zu machen, als begangen zu werden.“ Welche Bedeutung haben diese Worte für Sie?
Herbert Knorr: Man kann permanent auf seinem Weg über etwas stolpern. Insofern hat dieses Zitat viel mit meinem Lebensweg zu tun. Man versucht, achtsam zu sein und dennoch können Dinge geschehen, mit denen man nicht unbedingt gerechnet hätte. Aber: Das ist auch gut! Damals nach der Promotion wäre ich zum Beispiel gerne an der Universität geblieben, aber ich musste andere Abzweigungen nehmen. Das sind Wege, die man bis dato gar nicht kannte. Das sind, um bei Kafka zu bleiben, die Seile, die einen zum Stolpern bringen und mit denen man nicht gerechnet hat und mit denen man auch gar nicht rechnen konnte. Und das ist – muss ich im Nachhinein sagen – sogar besser.

Über welche Seile sind Sie auf Ihrem Weg gestolpert?
Knorr: Bei mir gab es mehrere Seile. Ich habe damals meinen Bank-Beruf und eine Sparkassen-Karriere aufgegeben. An dieser Stelle meines Weges habe ich mir selbst das Seil gespannt, da wollte ich stolpern und etwas Neues auf mich zukommen lassen. Es ist ein großes Wagnis, wenn man einen Beruf hat und schon Geld verdient, dann aber eine Abzweigung nimmt, ohne genau zu wissen, was man machen will. Schließlich habe ich studiert und nach dem zweiten Staatsexamen festgestellt, dass ich nicht Lehrer werden will. Da hatte ich wieder selbst ein Seil gespannt oder mir eine Hürde in den Weg gelegt – ohne überhaupt zu wissen, was aus mir werden soll.

Profitieren Sie heute noch von dieser ersten Berufsausbildung zum Bankkaufmann?
Knorr: Ja, ganz gewiss. Der Büroalltag besteht zu meinem Leidwesen nur wenig aus Textlektüre, vieles ist Organisation und Planung. In der Position als Leiter des Westfälischen Literaturbüros und in der Intendanz der Festivals muss ich bereit sein, Geld auszugeben. Klug auszugeben! Ich muss viele Verträge abschließen und im Blick haben, zum Beispiel mit Verlagen. Aber auch in der Planung und der Akquise von Drittmitteln hilft der frühere Beruf. Von Marketingausgaben bis zu Fahrtkosten müssen verschiedene Positionen einkalkuliert werden. Ein Überblick über den gegenwärtigen Markt ist notwendig.

Ihr Studium (Germanistik und Geschichte in Duisburg) haben Sie mit 1,0 abgeschlossen. Waren Sie ein Streber?
Knorr: Nö. Meine ältere Schwester konnte an einem Nachmittag Schillers „Das Lied von der Glocke” auswendig lernen. Das habe ich nicht durchgehalten. Ich war zunächst auf einer Realschule und habe das Abitur dann mit 24 Jahren nach dem Bankkaufmann-Job auf einem Tageskolleg nachgeholt. Dafür bekam man zu der Zeit volles BaföG, um Studenten an die Universitäten zu locken. Auf dem Kolleg habe ich ebenfalls vor allem das gemacht, was mit Freude bereitete. Sprachen waren eher das Ding meiner Schwester, denn die konnte sehr gut auswendig lernen.

Und was konnten Sie sehr gut?
Knorr: Ich habe lieber Texte und Gedichte geschrieben. Am Kolleg und später an der Uni waren Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften eher meins. Die Mitschüler am Tageskolleg kamen ebenfalls aus der Arbeitswelt, und durch diese Erfahrungen hatten wir alle den Ehrgeiz, unser Abitur nachzuholen. Auch an der Universität gehörten ich und die anderen Kollegiaten, wir etwas älteren Studenten, zu denen mit sehr guten Leistungen. Wir hatten durch unseren Arbeitsweltbezug ganz andere Erfahrungen und vor allem konkrete Ziele und damit einen ganz anderen Ehrgeiz, als diejenigen, die direkt von der Schule an die Uni gingen. Im dritten Semester hat mir ein Professor nach einer Hausarbeit nahegelegt, für seine wissenschaftliche Literaturzeitschrift daraus einen Aufsatz zu machen. Das war dann meine erste Veröffentlichung. Dann kam eine zweite, eine dritte und dann wollte ich promovieren. Aber ein Streber war ich trotzdem nicht: Ich bin zum Beispiel überhaupt nicht zu jeder Veranstaltung gegangen, man hat da viel aussuchen können und Scheine haben wir uns mitunter auf abenteuerlichen Wegen besorgt.

(Foto: Carsten Vogel)

War Ihr Berufsziel vor dem Studium das Lehramt? Oder doch das Theater?
Knorr: Ich hatte an Theatern hospitiert und wollte Theaterwissenschaften studieren, aber es gab nur zwei Städte, die dafür in Frage kamen: Hamburg und Köln. Da habe ich mich jeweils vor Ort informiert, aber die waren derart überlaufen… Ich habe mich dann für Germanistik entschieden. Im Nachhinein kann man sagen: Daran ist zu sehen, dass ich gar nicht in die Schule wollte. Von Vornherein nicht. Schließlich habe ich mir mein Ziel einfach offengelassen und daran geglaubt, dass schon irgendetwas kommen wird. Heute würde ich das nicht mehr so machen. Wenn ich heute die jüngeren Leute sehe, ist da so viel mehr Sicherheit im Spiel bei den Bachelor-Generationen. Und wenn man dann so eine Traum-Kombination studiert wie Geschichte und Germanistik, mit der man alles machen kann – oder gar nichts… Ich wusste damals nur: Ich will auf keinen Fall Lehrer werden und ich promoviere jetzt und was danach kommen würde, war offen.

Sie haben zu Arthur Schnitzler promoviert. Wollten Sie nach der Promotion Professor werden?
Knorr: Ja, wenn ich an der Universität eine Stelle bekommen hätte und der Mittelbau damals nicht reduziert worden wäre, hätte ich auch habilitiert. Aber es ging Ende der 80er und Anfang der 90er eben nicht.

Wie ging es weiter, als Sie nicht an der Universität bleiben konnten?
Knorr: Es gab Niederlagen. Bestimmte Jobs, die ich haben wollte, aber nicht bekam. Mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen habe ich mich mehrere Jahre über Wasser gehalten. Und mit Arbeitslosengeld dazwischen. Das ging damals ganz gut, weil die gut bezahlt waren. Eine langfristige Perspektive boten die Maßnahmen jedoch nicht. Ich hätte zum Beispiel kein Haus kaufen können, wollte ich auch gar nicht. Andererseits haben mir die Stellen erste Erfahrungen im Literaturmanagement verschafft, was dann später – unverhofft – hilfreich war.

Gab es Alternativen in der Zeit nach der universitären Arbeit?
Knorr: Als ich ein halbes Jahr arbeitslos war, habe ich mit meinem Bruder und einem Freund eine Pommesbude aufgemacht. Der Freund hatte bereits eine ganz gutgehende Pommesbude – wir haben uns nicht gänzlich ohne Erfahrung daran gewagt. Mein Bruder hatte seine Lehrer-Ausbildung in den Fächern Latein und Geschichte beendet und fand 1992 keinen Job. Er hatte auch überlegt, in die neuen Bundesländer zu ziehen. Doch die Buden-Idee versprach das ganz große Geschäft: Wir hatten eine Bude gekauft und komplett renoviert. Zur Einweihung war Norbert Labatzki, ein genialer Gelsenkirchener Musiker und künstlerischer Alleinunterhalter, zu Gast und hat als Dr. Stolzenfels gespielt. Wir sind bei “Prince”, einem ehemaligen Kulturmagazin fürs Ruhrgebiet, sogar Pommesbude des Jahres geworden. Und zwar wollten wir uns als Kultur-Pommesbude in Bottrop Boy etablieren und ab und zu Ausstellungen machen und Lesungen veranstalten. Für die Eröffnung hatten wir eine junge Künstlerin von der Düsseldorfer Kunstakademie eingeladen. Die hat Fastfood-Aktfotografien mit ihrer bejahrten Großmutter gemacht.

Wie kann man sich das vorstellen?
Knorr: Omma lag dann im Wohnzimmer auf einem rustikalen Eichenholz-Esstisch auf einem weißen Laken und hatte eine Currywurst samt Soße und Pommes auf dem Bauch. Diese Motive hatten wir in unserer Bude aufgehängt. Zwei Monate später waren wir dann pleite: Viele Menschen waren zwar gekommen, um die Fotografien zu sehen – auch wegen der dazu veröffentlichten Artikel. Doch als wir nach drei Wochen die Bilder abgenommen haben, kam keiner mehr. Die auswärtigen Gäste blieben aus, die aus dem Viertel gingen nicht zu so spinnerten Leuten, die kauften ihre Pommes woanders. Außerdem hatte mein Bruder in der Zwischenzeit einen Job in Krefeld bekommen, sodass wir von heute auf morgen Personal einstellen mussten, was wir nicht bezahlen konnten, da es keinen Umsatz gab. Gewinn schon gar nicht! Das kann man jetzt nach 25 Jahren als nette Anekdote erzählen, wegen des zeitlichen Abstandes. Aber diese Zeit war natürlich mit Ängsten verbunden und der Weg ist nie so linear, wie er jetzt im Nachhinein aussieht, sondern völlig gebrochen – mit vielen Zweifeln und Niederlagen.

Sehen Sie für jetzige Generationen bessere oder schlechtere Chancen und Arbeitsbedingungen?
Knorr: Das ist heute sicherlich nicht viel besser, wenn man an die Generation Praktikum denkt, vor zwei, drei Jahren. Heute bekommt man eher befristete Verträge. Ich sehe das an meinem Sohn, der Politikwissenschaften studiert und dann an der Universität gearbeitet hat. Inzwischen arbeitet er in Bonn bei einem Bundestagsabgeordneten. Und das ist auch kein absolut sicherer Job, sondern ein Planen bis zum Ende der jeweiligen Legislaturperiode, wenn überhaupt. Auch in meinem weiteren Umfeld erkenne ich: Für die jüngeren Generationen wird es nicht einfacher. Da kommen oft die erwähnten Stolperseile, die es verhindern, dass man sich häuslich einrichten kann. Mittlerweile scheint es selbstverständlich zu sein, dass man zwischen Städten wie Berlin und Hamburg pendeln muss, dass Familien sich so arrangieren, dass es zwei Fixpunkte gibt. Damals war das, zumindest gefühlt, noch nicht so prekär.

Seit 1994 sind Sie Leiter des Westfälischen Literaturbüros in Unna. Was sind die Kernaufgaben dieser Einrichtung?
Knorr: Unsere Arbeit fußt im Wesentlichen auf drei Säulen: Wir beraten zum einen Autoren, indem wir in Zeitschriften („Lit°Form“) über Angebote, Stipendien, Preise und Publikationsnetzwerke informieren. Und über ein paar andere Instrumente verfügen wir auch noch, bis hin zum persönlichen Gespräch. So kann Autoren der berufliche Einstieg und der Kontakt zu Verlagen erleichtert werden. Die zweite Säule besteht in Weiter- oder Fortbildungsangeboten wie zum Beispiel der Ferienakademie für junge Autoren bis 25 Jahren. Die dritte Säule bildet die Organisation von Veranstaltungen wie dem „Mord am Hellweg“-Krimifestival oder anderen Veranstaltungsreihen und Lesungen.

Sind Sie im Nachhinein froh darüber, dass Sie heute nicht in den universitären Strukturen arbeiten, sondern sich im Literaturbüro selbst Strukturen schaffen?
Knorr: Natürlich bin ich darüber froh. Muss ich ja auch sein… (lacht). Wieso sollte ich darüber unglücklich sein, wenn es einen wichtigen Teil meines Lebens erfüllt. Das sieht man am besten daran, dass ich eigentlich schon pensioniert bin, aber in den gleichen Funktionen mit gleich großen Zeitaufwand und dem Segen meines Arbeitgebers einfach weiterarbeite. Es ist einfach toll, mitten im Geschehen des Literaturbetriebs zu stehen und Leute aus aller Welt kennenzulernen, vor allem Autoren. Im Nachhinein muss ich sagen, dass die Universität irgendwie auch immer ein Elfenbeinturm war. Ich hätte es damals gerne gemacht, denn die Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und auch die Arbeit in der Lehre haben mir gefallen. Aber hätte das damals alles reibungslos funktioniert, hätte ich niemals das kennengelernt, was ich jetzt mache.

(Foto: Carsten Vogel)

Wie schaut ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus?
Knorr: Ich gehe mal vom gestrigen Donnerstag aus: Morgens öffne ich nach dem Frühstück zuhause erst einmal unsere Webseiten und schaue mir auch die Statistiken zu deren Aufrufen an. Der nächste Check betrifft die Bürokonten. Zur Sicherheit. Im Büro widme ich mich dann zunächst dem digitalen und dem analogen Postfach. Allein das Checken und Beantworten der Mails kann eine Stunde dauern. Gestern musste ich Verträge unterschreiben u.a. einen Medienkooperationsvertrag mit dem WDR. Dazu brauche ich stets den Überblick über den gesamtwirtschaftlichen Plan für die Projekte. Zwischendurch habe ich Texte quergelesen: Protokolle und Texte für das Festival-Programm „Mord am Hellweg“, die noch in den Druck mussten. Für eine Pressemitteilung habe ich Stichpunkte notiert und mich auf die Teilnahme an einer Jury vorbereitet. Zwischendurch reißen Anrufe immer mal wieder raus. Die Druckerei rief an, weil es Probleme mit dem Auftrag gab. Um sowas kümmert man sich dann außer Plan. Etwas Kleines gegessen habe ich zwischendurch irgendwie auch noch, vor einem Beratungsgespräch mit einer Autorin, die ein Strickbuch verlegen möchte. Das Buch war wirklich gut gemacht! Dann hatten wir noch eine Teambesprechung für das Krimi-Festival. Gegen 18 Uhr bin ich nach Hause gefahren.

Als was sehen Sie sich beruflich: als Publizist, Autor, Manager, Didaktiker?
Knorr: Schwierig. Ich bin gespalten. Manager und Autor. Literaturvermittler, der auch schreibt.

Bringen diese beiden Pole Vorteile und Synergien?
Knorr: Die Autorenschaft und die Bekanntschaften, die ich auf dem Weg gemacht habe, sind gegenseitig von Nutzen. Ich kenne aus eigener Erfahrung die Produktionsseite um die Künstler herum und ich kenne die Seite des Literaturbetriebes durch die Vermittler- und Veranstalterarbeit. Deshalb verstehe ich beide Seiten, weil ich manchmal auf der jeweils anderen tätig bin und Dinge sehe, die mich erschrecken. Wenn ich als Autor eingeladen bin und wenn ich dann kein Catering bekomme, maximal Nüsse… Dann geht mir schon mal die Hutschnur hoch! Wo ich mich doch bemühe, den Autoren immer gutes Catering zu bestellen. Und umgekehrt gibt es … Nein, davon erzähle ich nichts, das bleibt Betriebsgeheimnis.

Kommen Sie bei all den Vermittler-Aufgaben noch selbst zum Schreiben?
Knorr: Ich schreibe nicht mehr wie früher abends oder nachts, sondern nur noch vormittags vier bis fünf Stunden. Die Nachteulen-Zeiten sind vorbei. Also schaffe ich es wegen meiner Haupttätigkeit eigentlich nur noch am Wochenende, das musste und muss das familiäre Umfeld dann auch mittragen. Aber mein Schreiben ist sowieso eher ein Spielbein. Oder „gutes Taschengeld“. Wie gesagt: Es fehlt mir halt an der Zeit. Statt Romane und Krimis schreibe ich eben Konzepte oder stelle Finanzpläne auf. Aber wissen Sie was? – Selbst das kann sehr befriedigend sein, wenn etwas Gutes für die Literatur, ihre Akteure und vor allem die Autoren dabei herauskommt.

Seit 2002 findet „Mord am Hellweg“ statt. Wird das Krimi-Genre irgendwann langweilig?
Knorr: Ich lese mittlerweile weniger Krimis als am Anfang, vor allem, weil ich ja auch selbst welche schreibe, mit Sachbüchern hatte ich angefangen. Erst die Literaturgeschichte, dann sieben Jahre lang „Der Himmel ist unter uns“. Dann bin ich auf meine alte Deutschlehrerin gestoßen, vom Kolleg. Sie ist allerdings nur sechs, sieben Jahre älter als ich. Man kannte sich, zumal ihr Mann an der Universität mein Linguistikprofessor war. Ende der 80er lebten wir uns nach dem Ende meiner Promotion etwas auseinander. Sie studierte Afrikanistik und Orientalistik und war eine Zeit lang in Afrika. Ihr Roman „Splitter im Sand“ landete auf meinem Schreibtisch. 2004 habe ich sie dann eingeladen. Im Gespräch habe ich erzählt, was mich oft an Krimis stört und sie hat mir beigepflichtet. Wir hatten ähnliche Ideen und haben dann beschlossen, dass wir zusammen Krimis schreiben. Aber richtig Gute mit gesellschaftspolitischem Anspruch! Das haben wird dann auch gemacht.

Diese gemeinsamen Thriller „Hydra“ und „Todenspfad“ sind unter einem Pseudonym erschienen. Wie sind Sie auf den Namen Chris Marten gekommen?
Knorr: Ganz banal, der Verlag wollte, dass nur ein Name auf dem Cover steht. Wir hatten erst versucht, aus den gemeinsamen Buchstaben unserer Vor- und Nachnamen einen neuen Namen zusammenzusetzen, aber dem Verlag hat nichts davon gefallen. Zu Recht. Und so hat er uns schließlich eine Liste mit fünf Vornamen und fünf Nachnamen gegeben und daraus durften wir dann aussuchen. Chris ist ein geschlechtsneutraler Name und Marten hörte sich einfach gut an. Viele haben das Buch auch gekauft, weil sie dachten, der Sänger Chris Martin hätte es geschrieben. Ist doch toll, oder? Damit erreichten wir eine ganz andere Zielgruppe als gedacht. Würde ich heute aber nicht mehr machen, das mit dem Pseudonym.

In Krimi-Anthologien erscheinen Kurzgeschichten. Schreiben Sie auch Kurzgeschichten und ist das Genre mit Ihren Zeitfenstern verträglicher?
Knorr: Ja, ich schreibe auch Krimi-Kurzstorys, aber das mit der Zeitersparnis ist ein Irrtum. Nur weil der Seitenumfang geringer ist, heißt es nicht, dass die Planung und das Schreiben schneller von der Hand gingen. Man muss wie beim umfangreichen Krimi einen guten Plot finden, aber das Ganze viel stärker verdichten. „Schitt häppens“ ist in gewisser Weise auch eine Kurzgeschichtensammlung. Früher hatte ich nämlich mit Kurzgeschichten angefangen, die Textsorte war damals durch den Rundfunk recht populär. Ich hatte dann für die Neuveröffentlichung eine Rahmenhandlung dazu geschrieben, die letztlich aber genauso lang wurde wie die neun Kurzgeschichten. Ganz aktuell habe ich wieder eine Kurzgeschichte geschrieben, einen Weihnachtskrimi. Und noch aktueller werde ich für die Criminale in Aachen nächstes Jahr eine Krimi-Kurzgeschichte schreiben, in der der Aachener Dom und Karl der Große eine Rolle spielen werden.

Was könnten Sie sich noch wünschen – nach der „Pommesbude des Jahres“? Und abgesehen von der Dauerkarte auf Schalke?
Knorr: Ja, die Dauerkarte auf Schalke muss natürlich sein. Schließlich bin ich in diesem Stadtteil geboren und aufgewachsen. Da war ich damals übrigens auch in der F-Jugend. Die Meisterschaft wünsche ich mir nicht, ich wünsche mir nur, dass die Jungs so gut und intensiv spielen wie in der letzten Saison. Berufsmäßig: Mein Vertrag im Literaturbüro ist trotz Rentenalter verlängert worden, was will ich mehr. (überlegt) Hmm, was könnte ich mir also wünschen? Ja, zwei Wünsche habe ich noch: Erstens keine Pommesbuden mehr und zweitens – der Wunsch jedes Schreibenden: einen Bestseller. Aber ich wäre auch ohne die Erfüllung des letzten Wunsches immer noch glücklich!

Was würden Sie Germanistik-Studierenden aus Ihrer Perspektive raten?
Knorr: Den reinen Germanisten bzw. die reine Germanistin gibt es nicht. Nicht in der außeruniversitären Arbeitswelt. Zweitfächer, z.B. Wirtschaft oder Kulturmanagement, und Praxiserfahrungen sind wichtig. An der Universität habe ich gelernt, wissenschaftlich zu schreiben, in Nebenjobs bei Zeitungen habe ich das journalistische Schreiben kennengelernt und privat habe ich Gedichte und Geschichten, also kreativ, geschrieben. Das sind unterschiedliche Stile und Perspektiven, aber es ist dasselbe Medium: Text. Und alle haben mir für und bei meiner Arbeit genutzt. Sicherlich: Niemand kann alles lesen, aber man kann sinnvoll selektieren. Ich kann daher nur jedem Germanistik-Studierenden raten, sich möglichst breit aufzustellen, sich einen großen Überblick über die historische und Gegenwartsliteratur zu verschaffen also zu lesen, zu lesen, zu lesen!

Haben Sie Ratschläge für den Übergang in den Beruf?
Knorr: Man sollte idealerweise schon während des Studiums Praktika auch zum Netzwerken nutzen. Nach dem Studium sind Volontariate oft ein gutes Sprungbrett, aber auch Vertretungsjobs für Elternzeiten etc. sind oft eine Chance, auch wenn sie befristet sind.

Im Literaturbüro arbeiten auch Volontäre. Wie wählen Sie unter den Bewerbern aus?
Knorr: Zurzeit sind es drei Volontäre und Volontärinnen. Studiert haben sie Fächer aus den Bereichen Germanistik und Kulturwissenschaften. Uns ist es wichtig, dass der Umgang mit Office Programmen sicher ist und content management systems zumindest vom Begriff her den Bewerbern etwas sagen. Wichtig für unsere Auswahl sind Erfahrungen, Qualifikationen und Sprachen. Gerne auf Native-Speaker-Niveau (lacht). Im Bewerbungsgespräch ist entscheidend, dass jemand motiviert wirkt, sich eingehend informiert hat und Begeisterung zeigen kann. Auch die Persönlichkeit muss in unser Team passen und es ist genauso wichtig, dass man auch über persönliche Schwächen sprechen kann.

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