„Geht ein Germanist zum Öffentlich-rechtlichen…“: Korinna Hennig und Oliver Heidemann über die Arbeit als Redakteur:in in Radio und Fernsehen

Die Teilnehmer:innen des Workshops hören aufmerksame zu (Foto: Carsten Vogel).

Von Carla Aulbur.

Die eine diskutiert Quarantäne und Inzidenzen, der andere checkt die Quoten bei Jan Böhmermann, Helene Fischer und Co. Wie der thematische Spagat zwischen hitziger Coronadebatte und heiterer Samstagabend-Show innerhalb eines Workshops möglich ist und was zwei Menschen gemeinsam haben, die in so unterschiedlichen Ecken des öffentlichen Lebens verortet sind? Die Antwort: ein Germanistikstudium und eine Menge Erfahrung im Bereich der öffentlich-rechtlichen Medien.

Im digitalen Workshop der Reihe „Germanistik im Beruf“ erzählen NDR-Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig und Oliver Heidemann, Leiter der Hauptredaktion „Show“ beim ZDF, wie sie ihre Nischen in der Welt von Radio und Fernsehen gefunden haben. Mit einem Blick auf ihre heutigen Tätigkeitsbereiche verraten sie, welche Erfahrungen aus dem Germanistik-Studium sie heute noch schätzen und wie diese sie in unterschiedliche Richtungen des Rundfunks geführt haben.

Vom Hörsaal zum Rundfunk

Oliver Heidemann ist, abgesehen von seinen germanistischen Erfahrungen, promovierter Musikwissenschaftler, den es nach dem Studium schnell in die Medienbranche zog. Nach einigen Stationen landete er beim ZDF, wo er als Redakteur oder Regisseur und seit 2014 als Unterhaltungschef an der Produktion prominenter Sendungsformate wie „Wetten dass…?“, „ZDF Magazin Royale“, „Markus Lanz“ oder „Bares für Rares“ beteiligt ist. In seiner Leitungsfunktion gehört für ihn besonders der Blick auf die Quoten zum täglichen Geschäft.

Oliver Heidemann ist für viele erfolgreiche Formate beim ZDF zuständig (Foto: Carsten Vogel).

Auch die NDR-Redakteurin und Moderatorin Korinna Hennig hat einen weiten Weg hinter sich gelegt, bis sie zu ihrer heutigen Bekanntheit durch den „Coronavirus-Update“-Podcast gekommen ist. Gewissermaßen gelangte sie „von der Verbvalenz zur Virusvariante“, witzelt die studierte Germanistin, die seit 2002 für NDR Info im Ressort Wissenschaft und Bildung tätig ist. Für ihren Podcast mit dem Virologen Christian Drosten ist sie inzwischen mit mehreren Preisen wie dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden.

In der klar strukturierten Präsentation über ihre Aufgaben in der Redaktionsarbeit und Produktion von Podcasts wird spürbar, dass eine intensive thematische Vorbereitung zu Hennigs Alltag in der Wissenschaftsredaktion gehört. Einige Wortspiele kann sie sich dabei nicht verkneifen; in diesen Momenten blitzt selbstironisch die Germanistin in ihr auf. Heidemann dagegen erzählt frei heraus, was das ZDF und die Arbeit in der Unterhaltungsredaktion für ihn ausmachen und streut am Rande immer wieder Anekdoten aus dem „Backstagebereich“ der großen Shows ein.

Wie schafft man aber nun am besten den Wechsel aus dem Publikum hinter die Kulissen des Rundfunks?

Korinna Hennig teilt in ihrer Präsentation nicht nur Erfahrungen aus dem Berufsalltag mit den Studierenden (Foto: Carsten Vogel).

Germanistik als Einstieg in die Medienwelt

„Am rechten Ort zur rechten Zeit zu sein ist sicherlich nie ein schlechtes Rezept. Dabei gibt es nicht die eine Goldregel, die Erfolg garantiert”, meint Heidemann. Ein abgeschlossenes Studium sei in der Regel keine Grundvoraussetzung und die wenigsten Journalist:innen haben tatsächlich Journalistik studiert, stimmt Hennig zu. Gut vorbereitet sei man etwa durch Kommunikations- oder Kulturwissenschaften, VWL oder eben die Germanistik – „damit ist man bestens aufgehoben“, versichert Heidemann.

Egal ob in der Wissenschafts- oder Unterhaltungsredaktion – „Sprache ist unser Handwerkszeug und das sollten wir beherrschen“, reflektiert Hennig. Vom Recherchieren bis zur Textanalyse: Die beiden Redakteur:innen zählen einen ganzen Katalog an germanistischen Kompetenzen auf, die aus ihrer Erfahrung helfen können, Sendeinhalte gründlich und originell aufzuarbeiten. So gehöre zum germanistischen Rüstzeug etwa ein Bewusstsein dafür, was Sprache bewirken kann und wie Inhalte les- oder hörbar gemacht werden können. Ebenso werde der kritische Blick geschult, um unterschwellige Botschaften in Texten zu entdecken. „Germanistische Grundkenntnisse können vor unbewusstem Framing schützen“, mahnt Hennig – sowohl bei der Reflektion eigener als auch fremder Texte.

Möchte man diese Kenntnisse in erste berufspraktische Erfahrungen umsetzen, raten die Gäste zu Praktika, wie auch der Blick auf die Lebensläufe beider verrät. Heidemann empfiehlt, dabei nicht nur auf Medienhäuser, sondern auch auf Produktionsfirmen zuzugehen: „Aktuell wird unheimlich viel produziert und sehr viele Mitarbeiter aus den Babyboomer-Jahrgängen gehen bald in Rente. Diese Lücken sollten natürlich gefüllt werden.“

Wenn es um den Berufseinstieg geht, sollen interessierte Kandidat:innen „einfach mal mutig sein, das heißt offizielle Strukturen zwischendurch umgehen, einmal mehr nachhaken, dranbleiben und vor allem: sich von Fristen und Hürden nicht abschrecken lassen”, appelliert Hennig.

Der Rundfunk im Zeitalter der Digitalisierung

In der Auseinandersetzung mit dem linearen Programmangebot liegt der Blick in die Zukunft nahe, und da steht weiterhin Wandel bevor, sind sich Hennig und Heidemann einig. Für Hennig haben insbesondere Podcasts einen hohen Stellenwert. In ihnen sieht sie nicht nur die Chance, Menschen abseits linearer Sendeformate für interessante Inhalte zu begeistern, sondern auch Nischenthemen abzudecken, für die ein größeres Format im Rundfunk sonst keine Zuschauerschaft gewinnen könnte.

Im Vergleich zum Privatrundfunk zeigt sich Heidemann noch optimistisch für die Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Sender. Dennoch sei man sich der großen Herausforderung bewusst, auf die schwindenden Zuschauerzahlen im linearen Fernsehen reagieren zu müssen. „Rundfunksender werden durch alle finanziert und sind für alle da. Daher müssen wir den Anspruch haben, Programm für alle zu machen.“ Die Bemühungen, aktiv erweiterte Online-Angebote und Formate für jüngere Zuschauer:innen zu schaffen, habe auch Auswirkungen auf die zukünftigen Arbeitsbereiche auf diesem Feld. Die sozialen Medien sieht Heidemann etwa als essentiellen Teil der Arbeit, in den weiter engagiert investiert werden muss. Die Zeiten der Arbeitsteilung im Rundfunk erklärt er somit für beendet: „Wir brauchen Menschen, die linear und digital stark sind.“ Gerade aus diesem Grund stelle das Berufsfeld Radio und Fernsehen für den Nachwuchs eine besonders attraktive Herausforderung dar.

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