Von Bühnen und Menschen – Victoria Weich und Elsa Weiland über Schauspieldramaturgie
Von Florian Balthasar Kraß.
,,Wenn man zehn Dramaturg:innen danach fragt, was sie tun, bekommt man zehn verschiedene Antworten!” Da sind sich Victoria Weich und Elsa Weiland von vornherein einig. Beim immerhin schon 13. Germanistik-im-Beruf-Workshop präsentieren die beiden Dramaturginnen ihren Werdegang ans Theater und sprechen dabei auch über ihre jeweiligen Arbeitsweisen. Während Weich als Leitende Schauspieldramaturgin am Theater Münster tätig ist, bezieht sich Weiland auf ihre Expertise aus dem Off-Theater und dem selbst gegründeten Kollektiv ,,Krux”.
Zusammenspiel von kreativen Prozessen und Publikumsinteraktion
Victoria Weich erzählt in einem PowerPoint-gestützten Vortrag, über welche Stationen sie an das Theater Münster gekommen ist. Während ihres Germanistik-Studiums absolviert sie Praktika bei der ,,Lindenstraße” und der Produktionsfirma filmpool, um erste berufspraktische Erfahrungen zu machen. ,,Dann habe ich von einem Freund von der Dramaturgie erfahren. Ich hatte keine Ahnung, dass es diesen Beruf überhaupt gibt“, gesteht Weich lachend. Trotzdem entscheidet sie sich erst einmal dafür, ihr Studium in Bonn mit dem Master in Komparatistik fortzusetzen. Nach dem Abschluss im Jahr 2017 sammelt sie professionelle dramaturgische Erfahrungen, bis sie vier Jahre später die Leitende Dramaturgin am E.T.A. Hoffmann Theater Bamberg wird. Als die Intendanz am Theater Münster wechselt, wird Weich zur Spielzeit 2022/23 Leitende Dramaturgin im Bereich Schauspiel.
Weich beschreibt anschaulich die Herausforderungen, denen sie in Münster begegnet. Neben den zahlreichen organisatorischen Aufgaben muss sie den Spagat zwischen den Erwartungen des Publikums und der künstlerischen Qualität der Stücke meistern. Schließlich soll das Theater jeden Abend gut besucht sein – allein das Große Haus verfügt über rund 950 Sitze.
„Es geht bei uns ja darum, komplexe Inhalte zu vermitteln. Deshalb ist die detaillierte Vorbereitung sehr wichtig”, so Weich. ,,Dabei helfen mir unter anderem ästhetische Kategorien, die ich im Studium kennengelernt habe.” Sie ist mitverantwortlich für das Schauspiel-Programm des Theaters und dessen Vermittlung ans Publikum, was eine Menge zusätzlicher Aufgaben mit sich bringt. Da kann es schon mal vorkommen, dass zwischen Premieren, Sonderveranstaltungen und Büroarbeit die Freizeit auf der Strecke bleibt. ,,Das macht aber nichts”, betont Weich, ,,weil ich meine Arbeit sehr schätze, insbesondere die Verbindung von analytischem Zugang, kreativen Prozessen und Publikumsinteraktion!”
Netzwerken als Kernstück der Theater-Arbeit
Elsa Weiland zeichnet ihren Werdegang und ihre Arbeit mit einer virtuellen Mindmap nach. Sie beschreibt einerseits die freie Kulturszene und gibt andererseits Einblicke in ihre bisherigen Projekte. Ihre Karriere beginnt 2011 mit einem Jugendprojekt – sie tourt mit dem berühmten Tanztheater Pina Bausch. Damals wird ihr Interesse für die Arbeit auf der Bühne geweckt. Noch während ihres Germanistikstudiums gründet sie gemeinsam mit Freund:innen das Kollektiv ,,Krux”. Gleich die erste Inszenierung dieser Gruppe, „Der Zwang“ nach Stefan Zweig, gewinnt den KunstSalon-Theaterpreis 2019. Es folgen weitere innovative Theaterprojekte, bei denen Weiland aktuelle Themen wie Selbstverbrennung behandelt und auf experimentelle Weise auf die Bühne bringt. ,,Bei Themen wie Protestsuizid sind sensible Kommunikation und soziale Kompetenzen besonders gefragt”, sagt Weiland. ,,Je nach Publikum können die Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen.”
Weilands Tätigkeit in der Freien Szene ist durch Ungewissheit und Spontanität geprägt. „Die finanziellen Mittel sind viel knapper als an einem herkömmlichen, staatlich geförderten Theater”, sagt Weiland. Deshalb müssen Anträge und Konzepte erstellt werden, um Förderungen zu erhalten. ,,Manchmal hat man so viele Eisen im Feuer, dass man gar nicht hinterherkommt.”
Weil es viele Herausforderungen in ihrem Beruf gibt, hat Weiland noch ein paar Tipps parat: ,,Ein zweites Standbein ist hilfreich, genau wie regelmäßige Theaterbesuche und intensives Netzwerken: Es ist wichtig, stets auf dem aktuellen Stand zu sein.”
Begeisterung als Erfolgsrezept
So unterschiedlich kann der Beruf für Dramaturg:innen sein – je nachdem, ob man ihn in der Freien Szene oder am städtischen Theater ausübt. Letztlich muss in beiden Bereichen mit begrenzten Mitteln ein künstlerisch anspruchsvolles Programm auf die Beine gestellt werden. Dabei ist es immer das Ziel, mit Menschen kreativ zu arbeiten, um ein großes Publikum zu erreichen. ,,Entscheidend ist, dass man mit Engagement und Leidenschaft bei der Sache ist.” Auch da sind sich Weich und Weiland einig.
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