Zusammentreffen zweier Welten: Shohreh Karimian und Deniz Elbir über politische Bildung auf Bundes- und Kommunalebene
Von Maria Kramer und Laura Valentina Bell.
Mit einem Trinkpäckchen in der Hand gesteht Deniz Elbir seine Aufregung – von der später jedoch nichts mehr anzumerken ist. Shohreh Karimian dagegen wirkt ruhig und gelassen, als sie den “Germanistik im Beruf”-Workshop eröffnet. Beide arbeiten im öffentlichen Dienst – Karimian für eine staatlich finanzierte Institution, Elbir für eine Kommune. Für Karimian ist dies eine Dienstreise, Elbir ist privat hier.
Karimian ist seit 2019 Referentin bei der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, wo sie aktuell im Fachbereich ‘Zielgruppenspezifische Angebote’ arbeitet. „Unsere Aufgabe ist es, Politik und Demokratie in der Bevölkerung zu stärken und zu festigen“, sagt Karimian über die bpb, die dem Bundesministerium des Innern und für Heimat untergeordnet ist. In ihrem Verantwortungsbereich stehen v.a. Jugendliche und junge Erwachsene als Zielgruppe im Fokus. Für die Extremismusprävention ist das Studium der Near and Middle Eastern Studies, das sie in London absolviert hat, eine große Hilfe. Unter anderem waren ihre Kompetenzen bei einem Projekt namens „Jamal al-Khatib – Mein Weg“ gefragt, einer Webvideo-Reihe, die sie stolz präsentiert. Die kurzen Videos thematisieren das Verhältnis von Jugendlichen zum Islamismus. Sie sollen Denkanstöße provozieren. „Prävention kann man natürlich schwer messen, aber was wir können, ist die Reichweite von Clips zu analysieren“, gibt Karimian zu bedenken.
Zwei verschiedene Ansätze
Während Karimian nicht unmittelbar sehen kann, wie ihre Projekte vor Ort ankommen, ist das bei Elbir anders. Als Diversitätsbeauftragter der Stadt Neuss erlebt er sozusagen live, wie seine Projekte wirken. Leidenschaftlich berichtet er von der Lesung eines tamilischen Autors, für die er mitverantwortlich war. Auf dieser Veranstaltung fingen junge und alte Menschen mit und ohne tamilische Wurzeln plötzlich an, kritisch über das indische Kastenwesen zu diskutieren. „Diese Diskussion war für mich ein gesellschaftspolitisches Ereignis“, sagt Elbir begeistert. Auch Karimian denkt politische Bildung von konkreten Situationen aus: „Wenn in einer bei Jugendlichen beliebten Soap z.B. eine Figur keine Wohnung findet, wird jungen Menschen Wohnungsmangel als reales gesellschaftliches Problem drastisch vor Augen geführt.“
Eine Gemeinsamkeit von Bundes- und Kommunalebene ist die Textarbeit. “Für jedes Projekt“, erzählt Karimian, “muss begründet werden, warum es sinnvoll ist, damit es durchgeführt werden kann. Das ist sehr aufwändig.” Das kennt auch Elbir aus seinem Berufsalltag: „Wer schreibt, der bleibt“, sagt er lächelnd. Der gebürtige Neusser muss es wissen, denn er ist seit 2021 Beauftragter für Diversität, Integration und Antirassismus seiner Heimatstadt. Bereits als Interkulturbeauftragter im Jahre 2016 initiierte er das Projekt “Neue Deutsche Stadtgesellschaft”, das er bis heute weiterentwickelt. Ziel ist es, in Kulturinstitutionen Diversität sowohl im Programm als auch im Personal abzubilden – und damit auch im Publikum zu erreichen. „Wir brauchen eine kollektive Verhaltenstherapie, denn Deutschland sollte sich an diese Vielfalt als Normalzustand gewöhnen“, betont Elbir.
Praktika als Schlüssel zum öffentlichen Dienst
Zu seiner aktuellen Stelle gelangte Elbir nicht direkt, sondern über Umwege. Der studierte Germanist versuchte sich zunächst als Praktikant bei einem lokalen Nachrichtensender und als Projektassistent in der Onlineredaktion im Grimme-Institut. Auch Karimian musste erst einige Stellen durchlaufen, bevor sie zu ihrer jetzigen Anstellung bei der bpb kam. Sie hat zwar an der renommierten Londoner School of Oriental and African Studies studiert. Doch hat ihr Abschluss in Deutschland nicht den Bekanntheitsgrad, der ihr bei Bewerbungen sonderlich weitergeholfen hätte.
Dass sie heute im öffentlichen Dienst in der kulturellen und politischen Bildung tätig sind, hätte weder Karimian noch Elbir erwartet. „Doch das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“, sagt Elbir, den Philosophen Sören Kierkegaard zitierend. Beide sind sich einig darin, dass ihre Tätigkeiten ein interessantes Berufsfeld für Germanist:innen und andere Geisteswissenschaftler:innen sind. Und beide empfehlen ausdrücklich Praktika – Elbir bei verschiedenen Kultureinrichtungen, Karimian direkt bei der bpb.
Gegen Ende des Workshops plädieren Karimian und Elbir dafür, an die eigenen Stärken zu glauben und diese bestenfalls beruflich auszuleben. Ihre Vorträge verdeutlichen: Mit Engagement und ein wenig Glück kann man es weit bringen.
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