Nah dran an Böhmermann, Gottschalk & Co: ZDF-Unterhaltungschef Oliver Heidemann im Interview

Im Interview spricht ZDF Unterhaltungschef Oliver Heidemann über Hate-Speech im Internet, germanistische Kompetenzen und die Work-Life-Balance zwischen Telefonaten mit Gottschalk und Böhmermann (Foto: Carsten Vogel).

Von Laureen Winterstein und Maik Wolke-Hanenkamp.

Oliver Heidemann ist seit 2014 Unterhaltungschef des ZDF und verantwortlich für Sendungen und Shows wie „Wetten, dass..?“, “ZDF Magazin Royale“ oder die „heute-show“. Im Interview spricht Heidemann über Hate-Speech im Internet, germanistische Kompetenzen und die Work-Life-Balance zwischen Telefonaten mit Gottschalk und Böhmermann. 

Sie haben in Münster studiert und in Musikwissenschaften promoviert. Hatten Sie in den letzten Jahren die Möglichkeit, Ihrer Studienstadt mal wieder einen Besuch abzustatten?

Heidemann: Leider viel zu selten! Ich hatte vor zehn, zwölf Jahren mal eine Musiksendung mit Götz Alsmann. Unsere Drehbuchbesprechungen fanden immer bei einem Bier in einem Restaurant am Aasee statt. Da es die Sendung nicht mehr gibt, hatte ich auch keinen Grund mehr, nach Münster zu kommen. Das ist sehr schade, weil ich die Stadt immer sehr gemocht habe.

Sie haben unter anderem Germanistik studiert. War das Studium hilfreich für Ihre berufliche Tätigkeit? 

Heidemann: Sehr hilfreich sind auf jeden Fall kommunikativ-rhetorische Fähigkeiten! Dass ich mich mit Sprache und Literatur beschäftigt habe, hat dazu geführt, meinen aktiven Wortschatz erheblich zu erweitern und mich lebendiger auszudrücken. Zudem vermittelt das Germanistikstudium eine Menge ästhetisches und kulturelles Wissen. Solche Kenntnisse sind wichtig, wenn man mit Leuten zusammenarbeitet, die künstlerisch tätig sind. Man muss immer wissen, worüber man spricht!

Das hört sich ganz so an, als bilde die Germanistik für Ihren Job eine gute Basis.

Heidemann (lächelt): Davon bin ich voll überzeugt!

Gab es trotzdem noch etwas, das Sie dazulernen mussten?

Heidemann: Zum Punkt zu kommen. Im Studium hat es oft ausufernde Diskussionen gegeben. Im Beruf müssen Gespräche ein klares Ziel haben. Man braucht ein präzises Zeitmanagement und muss schnell Entscheidungen treffen. Dabei ist eine gewisse Härte manchmal unabdingbar.

Welche Rolle hat die freiberufliche Tätigkeit für Ihren Werdegang gespielt? 

Heidemann: Mein Interesse galt damals der Regie, der Produktion und der Autorentätigkeit. Das auszuprobieren, war am ehesten freiberuflich möglich. Erst mit der Zeit hat sich eine Präferenz für die Redaktion entwickelt. Irgendwann musste ich mich jedoch entscheiden, weil mir unterschiedliche Festanstellungen angeboten wurden. Andere bleiben allerdings weiterhin freiberuflich: Entweder weil sie keine Festanstellung finden oder weil es gut läuft und sie gut verdienen. Rückblickend habe ich viele unterschiedliche Menschen kennengelernt. Dadurch konnte ich mir allmählich ein Netzwerk aufbauen.

Würden Sie angehenden Journalist:innen also zunächst eine freiberufliche Tätigkeit empfehlen?

Heidemann: Solange sie genug Aufträge haben, ist das kein Problem: Man kann sich ohne Druck vom Sender oder von Produzenten ausprobieren. Außerdem trainiert man sich eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit an, die man braucht, wenn man es in unserer Leistungsgesellschaft zu etwas bringen will. Aber wer nach dem Studium direkt ein Volontariat oder eine Anstellung findet, sollte das auch machen! Letztendlich ist das ein ebenso guter Weg.

Oft findet die Kritik ja digital statt. Wie gehen Sie mit Kritik in sozialen Netzwerken um?

Heidemann: Natürlich ist Hate-Speech im Netz eine Herausforderung für uns. Auf Twitter gibt es häufig schon Kommentare während einer Live-Sendung. Überhaupt ist Twitter inzwischen zu einem Zweitmedium geworden, bei dem es fast lustiger ist, den Tweets zu folgen, als der eigentlichen Sendung. Freie Meinungsäußerung ist ein wichtiges demokratisches Gut. Was aber auf keinen Fall geht, sind Beleidigungen oder Schmähungen – da müssen wir natürlich aufräumen.

Gerade beim jüngeren Publikum polarisierte Gottschalks Gender-Witz der letzten „Wetten, dass…?“-Sendung im November 2021 („Wetten, die…, Wetten, der…, Wetten, dass…“).

Heidemann: Gottschalk ist ein Sonderfall, ihn kann man nicht mehr umerziehen. Er hat seine Meinung zu den Dingen und die sagt er dann auf seine typische Art. Vor allem für die jüngere Generation ist diese Art befremdlich. Das bekommen wir dann beispielsweise auf Twitter sofort zu spüren.

Und wie sieht es mit der Freizeit aus?

Heidemann: Leider passt nicht immer alles in die Tagesagenda hinein – was meine Familie natürlich auch nicht gerade freut. Wenn etwa ein Künstler im „Fernsehgarten“ die falsche Kappe trägt und Werbung für irgendein Produkt macht, ruft bei mir um 14.20 Uhr die BILD-Zeitung an, während ich mit meinen Kindern im Schwimmbad sitze und Eis esse. Und da Böhmermann am späten Freitagabend sendet, muss man auch samstags damit rechnen, sich mit Kontroversen auseinandersetzen zu müssen.

Sie sind für eine große Anzahl an Unterhaltungsshows beim ZDF zuständig. Das hört sich nach viel Arbeit und Verantwortung an. Macht das eigentlich noch Spaß?

Heidemann: Natürlich! Am meisten Spaß macht mir die Arbeit mit den unterschiedlichsten Menschen. Das gibt mir sehr viel. Aber auch die Möglichkeit, bei Sendungen kreativ zu sein, macht mich glücklich und zufrieden. Das Comeback von „Wetten, dass…“ war auch für mich ein bedeutsames Ereignis und ein emotionaler Höhepunkt.

Haben Sie eigentlich auch persönlichen Kontakt mit Prominenten wie Gottschalk, Böhmermann oder Lanz?

Heidemann: Ja, mit allen! Wir telefonieren häufig und versuchen, uns regelmäßig zu treffen. Nächste Woche fahre ich wieder nach Köln zu Jan [Böhmermann], weil wir uns eine Zeit lang nicht gesehen haben. Mit Gottschalk bin ich demnächst verabredet, um die nächste „Wetten, dass..?“-Sendung zu besprechen. Auch mit Markus Lanz telefoniere ich häufig. Ich bin nah dran an allen, und das muss auch so sein.  Das ist manchmal anstrengend, macht aber auch Spaß.