„Wissenschaft jenseits der heiligen Universitätshallen“: Iuditha Balint über ihre Arbeit am Fritz-Hüser-Institut
Von Julian Lüpfert und Tobias Mehler.
Davon, dass Iuditha Balint während ihres Studiums nicht gerne Referate hielt, ist ihr bei ihrem Vortrag im „Germanistik im Beruf“-Workshop nichts mehr anzumerken. Locker und schwungvoll erzählt sie von den Stationen aus ihrem Leben: aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie, Erzieherin in Rumänien, Direktorin des Fritz-Hüser-Instituts in Dortmund. Fünf Jahre arbeitet Balint bereits als Erzieherin, als sie zum Studium der Philosophie zugelassen wird. Da ihr Bruder zeitgleich die Zulassung bekommt und die Eltern sich die Studiengebühren nicht für beide leisten können, will sie zunächst verzichten und in ihrem Beruf als Erzieherin bleiben. Daraufhin ruft der zuständige Philosophie-Professor bei ihrem Vater an und stellt klar: „Das Mädchen muss studieren!“
Deshalb geht Balint zunächst nach Deutschland, um als Au-Pair Geld für ihr Studium zu verdienen. Dort ergibt sich jedoch bald die Möglichkeit, an den kooperierenden Universitäten Mannheim und Heidelberg Germanistik und Philosophie zu studieren. „Nebenbei habe ich in Kneipen und Restaurants gejobbt – eine sehr gute Möglichkeit, mein Deutsch zu verbessern!“ An der Universität arbeitet Balint als Studentische Hilfskraft und Tutorin. „Tätigkeiten, die nicht unbedingt gut bezahlt werden. Aber man erhält Einblicke darin, wie die Uni funktioniert.“
Arbeit an der Dissertation und darüber hinaus
Nach dem Magistra-Artium-Abschluss promoviert Balint in Germanistik an der Uni Mannheim. Während eines einjährigen Aufenthalts als Gastdozentin an der Universität in Virginia, USA, lernt sie ganz andere institutionelle Strukturen kennen: „Vor allem ist in den USA der Umgang zwischen Lehrenden und Studierenden viel ungezwungener”, findet Balint. „Außerdem habe ich dort Menschen aus allen möglichen Ländern kennengelernt – Kontakte, die ich heute noch pflege.” Mit diesen Erfahrungen kehrt sie nach Mannheim zurück. Glücklicherweise erhält sie kurze Zeit später ein Stipendium. „So war ich finanziell einigermaßen abgesichert und konnte mich auf meine Dissertation konzentrieren.“ Um weitere praktische Erfahrungen zu sammeln und didaktische Fähigkeiten zu erwerben, nimmt Balint Lehraufträge an. Auf diese blickt sie heute mit unguten Gefühlen zurück: „Machen Sie das bloß nicht“, warnt sie. „Die werden schlecht bezahlt. Das ist Ausbeutung!“
Grundsätzlich ist für Balint während dieser Zeit der Wissenstransfer wichtig. So organisiert sie Tagungen, die oftmals in außeruniversitären Einrichtungen wie Museen oder Archiven stattfinden, um auf diese Weise auch ein nicht-akademisches Publikum anzusprechen. „Bei den Vorträgen muss man dann natürlich darauf achten, dass Sachverhalte verständlich vermittelt werden. Zum Beispiel sollte man sein Vokabular an sein Publikum anpassen und Begriffe nicht nur nennen, sondern auch erklären. Oftmals wird einem dadurch erst bewusst, worüber man eigentlich spricht.“
Neue Perspektiven für Balint am Fritz-Hüser-Institut
Nach der Promotion ist Balint zunächst wissenschaftliche Koordinatorin an der Universität Essen. Eine Vertragsverlängerung schlägt sie aus, weil das Arbeitspensum weit über die vereinbarten Tätigkeiten hinausgeht. Stattdessen bewirbt sie sich an drei unterschiedlichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Tatsächlich ist sie erfolgreich: Sie wird zur Direktorin des Fritz-Hüser-Instituts in Dortmund – einer Institution, an dem deutschsprachige Literatur der Arbeitswelt gesammelt, erschlossen und erforscht wird. Diese Aufgabe ist für sie wie geschaffen, schließlich lautete bereits das Thema ihrer Dissertation “Arbeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts”.
Aus der Uni-Zeit nimmt sie einiges mit: “Als promovierte Literaturwissenschaftlerin weiß ich, was Sprache vermag. Aber auch meine didaktischen Fähigkeiten brauche ich im Umgang mit anderen Menschen nahezu tagtäglich.“ Außerdem kann Balint am Fritz-Hüser-Institut auch Forschung betreiben, was für sie besonders wichtig ist: “Forschen ist das, was mir auch an der Uni am meisten Spaß gemacht hat.”
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