Von der Idee zum Drehbuch

Dinah Marte Golch und Robert Pfeffer standen im Workshop des Sommersemesters 2020 den Fragen der Studierenden zum Thema Drehbuch Rede und Antwort. (Foto: Carsten Vogel)

Von Annelene Katharina Fichtner und Janine Esdar.

In was für ein Dilemma müssen Menschen kommen, um Mord als einzigen Ausweg zu sehen? Diese Frage stellt sich Dinah Marte Golch, bevor sie ihre Figuren zum Leben erweckt. Die Roman- und Drehbuchautorin war eine von zwei Gästen des Workshops “Germanistik im Beruf” zum Thema Drehbuch. 

Golch schreibt unter anderem für den “Tatort”. Der Besuch von Polizeiwachen, Gespräche mit Medizinern und das Verfolgen von Gerichtsprozessen dienen ihr dabei als Recherchegrundlage fürs Schreiben. Es kommt darauf an, die richtige Balance zwischen Authentizität und kreativer Freiheit zu finden. An einem Drehbuch arbeitet Golch bis zu einem Jahr. Diese Arbeit ist ein langwieriger Prozess, zu dem auch der Austausch mit dem Sender gehört, der das Drehbuch in Auftrag gegeben hat. „Kritik sollte als Anregung und Inspiration zur Verbesserung der Geschichte gesehen werden“, sagt Golch. „Gleichzeitig sollte man sich von äußerem Druck befreien, der den kreativen Schaffensprozess einschränken könnte“. Eine mehrfache Überarbeitung des Drehbuchs ist jedoch keine Seltenheit.

„Fordere kein lautes Anerkennen, kann was und man wird dich kennen“

Auch als erfahrene und etablierte Drehbuchautorin kennt Golch das Problem einer Schreibblockade. Was tun, wenn man an einem Punkt der Geschichte nicht weiterkommt? Für Golch ist das ein Zeichen, dass mit der Story etwas nicht stimmt. Der beste Weg, damit umzugehen, ist Abstand zu gewinnen und den eigenen „kreativen Speicher“ wieder aufzufüllen. 

Nachwuchsautor*innen empfiehlt sie: „Es muss nicht immer gleich das ganz große Werk sein – am Anfang zählt vor allem ‘Schreiben, schreiben, schreiben’.” Um auf dem Markt Fuß zu fassen, haben Autor*innen im Gegensatz zu anderen Vertreter*innen der Filmbranche den Vorteil, bereits mit einem fertigen Produkt für sich werben zu können. Mit der Erfahrung steigen der Marktwert und die Auftragslage. Lebensunterhalt und Recherchereisen werden pro Projekt finanziert; die Bezahlung erfolgt in Raten. Auch das Networking sollte gerade am Anfang nicht unterschätzt werden. Eine gute Anlaufstelle ist der Verband der deutschen Drehbuchautoren, der mit gut 500 Mitgliedern einen regen Austausch in der Szene gewährleistet. 

Ein klassischer Einstieg in das Film- und Fernsehgeschäft ist das Drehbuchlektorat. Das behauptet Robert Pfeffer, der zweite Gast des Workshops. Er ist sogenannter „inhouse“-Lektor bei RTL – eine Besonderheit, da die meisten Lektor*innen in diesem Bereich freiberuflich agieren. Als gemeinsame Plattform dient allen Drehbuchlektor*innen der Verband für Film- und Fernsehdramaturgie (VeDRA). Pfeffer sieht sich selbst als Dramaturg und den Beruf des Drehbuchlektors als Teil seiner Tätigkeit. 

„Mein größtes Privileg ist es, große Autoren lesen zu können“

Im Gegensatz zur kreativen Freiheit des Autors kommt bei der Lektoratsarbeit die Stofferfassung und -beurteilung und nicht das eigentliche Schreiben zum Tragen. Pfeffer nimmt die Position des Vermittlers zwischen Sender und Autor*innen ein. Komplexitätsreduktion und Anpassung an das jeweilige Senderprofil sind grundlegende Aufgabenbereiche. Kenntnisse der Dramen- und Literaturgeschichte sowie der Sinn für den richtigen Ausdruck sind wichtige Fähigkeiten, um Drehbücher einordnen und beurteilen zu können. Germanist*innen bringen dank ihres Studiums dafür gute Voraussetzungen mit. Wichtig ist auch der Blick für gesellschaftlich relevante Themen und Entwicklungen. 

Der stetige Wandel in der aktuellen Film- und Fernsehlandschaft stellt insbesondere für etablierte Sender eine Herausforderung dar. In Zeiten von Netflix, Amazon & Co ist es wichtig, konkurrenzfähig zu bleiben und eigene Formate weiterzuentwickeln. Für junge Drehbuchautor*innen bietet die Vielzahl an Plattformen eine Chance, schneller Fuß zu fassen und ihr Talent unter Beweis zu stellen. 

In zwei Punkten sind sich Golch und Pfeffer einig: Die Leidenschaft für den Beruf und die Vision einer Welt, die zum Leben erweckt wird, ist Anfang und Antrieb ihrer Arbeit. 

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