Schauspieldramaturgin Victoria Weich über die Magie des Theaters
Von Amanda Herbster und Hannah Klug.
Entspannt und zugewandt sitzt Victoria Weich vor ihrem Publikum im Seminarraum. Hinter ihr werden mit einer PowerPoint-Präsentation Bilder und Worte an die Wand projiziert, auf dem Tisch vor ihr liegen sorgfältig vorbereitete Notizen. Schon in diesen ersten Augenblicken ihres Vortrags macht Weich eine zentrale Facette ihres Berufs als Dramaturgin deutlich: Vielfalt und Vielseitigkeit. „In Deutschland gibt es ja unglaublich viele Theater. Entsprechend unterschiedlich wird dort auch gearbeitet. Ich kann vor allem von meiner Arbeitsweise am Theater Münster sprechen.”
Auszeit vom Studium
In Münster ist Victoria Weich seit der Spielzeit 2022/23 als Leitende Schauspieldramaturgin tätig. Zuvor hat sie unter anderem in Bamberg und Köln gelebt. „Sich an eine neue Stadt zu gewöhnen, ist immer ein Prozess und braucht Zeit. Für mich heißt es jetzt, in Erfahrung zu bringen, was ich der Stadt geben kann.” Als Dramaturg:in muss man flexibel sein und öfter auch mal bereit sein, den Ort für den Beruf zu wechseln. Für Weich jedoch kein Problem: Für sie ist es vor allem wichtig, in einem künstlerischen, literarischen Umfeld zu arbeiten.
Nach dem Abitur beginnt sie zunächst ein Studium der Germanistik und Philosophie. „Als ich für eine Lateinklausur einmal verzweifelt den Seminarraum gesucht und nicht gefunden habe, wurde mir allerdings klar: Ich bin noch nicht bereit fürs Studieren”, erzählt sie schmunzelnd. Sie nimmt sich eine Auszeit, zieht nach Köln und macht dort Praktika beim Fernsehen, zum Beispiel bei der Serie „Lindenstraße” und bei der Produktionsfirma filmpool. Außerdem wirkt sie an studentischen Projekten der Kunsthochschule für Medien (KHM) mit.
Nach der wilden Zeit
Nach dieser Phase, die Weich selbst als „wilde Zeit“ beschreibt, beschließt sie, Vergleichende Literaturwissenschaft und Politik in Bonn zu studieren. Zudem beginnt sie, als studentische Hilfskraft an der Universität zu arbeiten. Dabei begegnet sie häufig Professionellen aus Kulturbetrieben, die sie inspirieren, ihren beruflichen Werdegang in der Literatur und vor allem am Theater zu verfolgen: „Sobald ich das Gefühl hatte, etwas zu machen, das mir gefällt, ging alles wie von selbst”, sagt Weich. Während des Masterstudiums an der Universität Bonn beginnt Weich eine Hospitanz am Schauspiel Köln. Während sie für die Theatertage in Mühlheim Teil der Festivalredaktion „Stücke-Blog“ ist, entdeckt Weich schreibend ihr Interesse für Stücke der Gegenwartsdramatik. Es folgt der Einstieg in den Beruf als Dramaturgieassistentin und schließlich als Dramaturgin am ETA Hoffmann Theater Bamberg. In der Spielzeit 2021/22 wird sie dort als Leitende Dramaturgin engagiert, bevor sie ein Jahr später nach Münster wechselt.
Souverän und anschaulich berichtet Weich von ihrem Beruf und der Zusammenarbeit mit anderen Menschen: „Die Gespräche mit dem Ensemble, der Regie, aber auch mit dem Publikum finde ich immer wieder bereichernd. Jede einzelne Aufführung hat für mich einen eigenen Zauber. Dieser Zauber geht für mich genauso wenig verloren wie die Nervosität vor Premieren.” Den Arbeitsalltag muss sie im Wesentlichen selbst strukturieren, wobei sich die Anforderungen ständig ändern. Je nach Phase in einer Spielzeit steht entweder das intensive Lektorat für die Programmplanung oder das kritische Beobachten der Proben an erster Stelle. „Dramaturgie hat in Deutschland eine lange Tradition: Lessing, Schiller und Goethe haben als Dramaturgen gearbeitet. In dieser Gesellschaft fühle ich mich sehr wohl”, sagt Weich augenzwinkernd. Das intensive Lesen von Texten, sie zu interpretieren und mit anderen Texten in Beziehung zu setzen, sind Kompetenzen, die sie durch ihr Germanistikstudium erworben hat.
Vollzeit am Theater
Dass die Arbeit einer Dramaturgin vom Publikum selten wahrgenommen wird, stört Weich nicht. „Ich mag es gerne, hinter den Kulissen zu arbeiten, auch wenn niemand weiß, wie aufwändig es ist, ein Programm auf die Beine zu stellen. Die Magie des Theaters lebendig zu halten und meine Kreativität und Liebe zur Literatur mit anderen zu teilen, reicht mir völlig aus”, und wahrscheinlich ist es genau das, was Victoria Weich der Stadt Münster geben kann.
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