Ein Lebenswerk vor dem Abschluss: Robert Damme und das Westfälische Wörterbuch

(Foto:  LWL /Markus Bomholt)

Von David Lilienbecker.

Durch ein Versehen stolperte Robert Damme überhaupt erst in die Germanistik. Eigentlich wollte er Allgemeine Sprachwissenschaften studieren, kam aber durch einen falschen Hinweis zur Altgermanistik und beschränkte sich fortan auf das Studium der deutschen, später der niederdeutschen Sprache. 

Heute steht er nach über 36 Jahren kurz davor, die Publikation des „Westfälischen Wörterbuchs“ mit dem fünften und letzten Band im Sommer 2021 abzuschließen. Damme selbst steuerte die letzten vier Bände bei – vom Buchstaben D bis Y. Insgesamt sind auf den 3650 Seiten des Wörterbuchs fast 100.000 Mundartwörter ausführlich dokumentiert. 

Einige Hürden auf dem Weg zum Ziel

Robert Damme sitzt vor einer beeindruckenden Menge an Zettelkästen. 1,5 Millionen Zettel mit Belegen mundartlicher Ausdrücke sind hier einsortiert. „Zum Niederdeutschen bin ich eher durch Zufall gekommen, denn eigentlich spreche ich kein Platt“, erinnert er sich. In einem Einführungsseminar fiel ihm auf, dass auf einer Karte zur Verbreitung des Althochdeutschen der norddeutsche Raum fehlte. „Wenn Sie das studieren wollen, müssen Sie in die Niederdeutsche Abteilung gehen“, schlug der Dozent vor – und das tat Damme dann auch. Weil er gut Latein konnte, wurde er im Januar 1976 als studentische Hilfskraft eingestellt. Seit dieser Zeit arbeitet er an niederdeutschen Wörterbüchern, und seit dem 1. Februar 1985 als wissenschaftlicher Referent am Westfälischen Wörterbuch, herausgegeben von der Kommission für Mundart- und Namenforschung, einer Dienststelle des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).

Von den einst vier hauptamtlichen wissenschaftlichen Mitarbeitern beim Wörterbuch blieb nach Stellenstreichungen und Umbesetzungen Anfang der 90er Jahre nur noch eine Stelle: die von Robert Damme. 2008 fasste Damme den Entschluss, bis zum Ende seiner Dienstzeit beim LWL das Gesamtwerk fertigzustellen. Um den Plan zu realisieren, strukturierte er die Arbeitsabläufe grundlegend um und delegierte andererseits wichtige Aufgaben an Studierende. 

Studierende als Schlüssel zum Erfolg

Studierende hatten zwar immer schon am Westfälischen Wörterbuch mitgearbeitet. Sie waren aber für das Abschreiben der Fragebögen, das Vorsortieren der lemmatisierten Zettel und das Einsortieren derselben ins Archiv zuständig. Seit 2009 dürfen Studierende nun anspruchsvollere Arbeiten ausführen, in erster Linie das Schreiben von Wörterbuchartikeln, was in den 70er und 80er Jahren nur erfahrenste wissenschaftliche Mitarbeiter durften. „Ich profitiere sehr von dieser Vorarbeit; so musste ich nicht bei null anfangen, sondern konnte immer schon auf mehr oder weniger gute, aber eben vorhandene Entwürfe zurückgreifen“, lobt Damme seine Hilfskräfte. Wer beim Wörterbuch arbeiten wollte, musste bei einem Einstellungstest überzeugen. Die Bewerber*innen mussten dabei in der Regel eine Liste von etwa 20 Anwendungsbeispielen für ein Wort in eine sinnvolle Reihenfolge bringen und Bedeutungsangaben formulieren. 

Ein gutes Verhältnis zu den Studierenden war Damme immer wichtig. Und auch den einen oder anderen Streich nahm er ihnen nicht übel. Einmal haben die Hilfskräfte vom dritten Stock vermeintlich echte Belegzettel an seinem Fenster im ersten Stock vorbeisegeln lassen. In Panik stürmte er ins Hilfskraftzimmer, wo ihn die Studierenden lachend darüber aufklärten, dass es sich nur um Kopien gehandelt habe. 

Auch wenn das Westfälische Wörterbuch 2021 abgeschlossen sein wird, können sich Studierende weiter bei der Kommission für Mundart- und Namenforschung bewerben, um Einblicke in die Arbeit einer germanistischen Forschungseinrichtung zu erhalten. Interviews zu führen, Fragebögen auszuwerten oder Unterstützung bei Publikationen zu leisten, sind Aufgaben, die angehende Germanist*innen auf ein späteres Berufsleben vorbereiten. Nur Robert Damme wird dann sein Lebenswerk abgeschlossen haben und bereits in Rente sein.

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