Viola Voß im Porträt: „Nicht nach Frankreich, dafür in die Bibliothek“
Von Markus Grafenschäfer und Lucy Klomfass.
Viola Voß gehört sozusagen zum “Inventar” der Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB). Seit 1999 ist sie in verschiedenen Funktionen im Bibliothekswesen beschäftigt – und das, obwohl sie eigentlich ganz woanders hinwollte.
Die gebürtige Münsteranerin hat Romanistik, Allgemeine Sprachwissenschaft und Germanistik an der Westfälischen Wilhelms-Universität studiert. Vor allem Romanistik sollte als Türöffner in ihren Traumberuf dienen: Auslandskorrespondentin in Frankreich. „Wie man sieht, hat das nicht geklappt“, sagt Voß und lacht, „eine Institutsbibliothek war schuld“. Noch während ihres Studiums beginnt sie als studentische Hilfskraft an einem Institut der Uni und entdeckt hier ihre Leidenschaft für das Bibliothekswesen. Letztlich entscheidet sie sich deshalb für Münster und gegen Frankreich.
Ein Zufall entzündet die berufliche Leidenschaft
Nach ihrem Magisterabschluss 2003 folgt der nächste Schritt. „Ich habe relativ naiv bei der ULB angefragt, ob sie nicht vielleicht eine wissenschaftliche Hilfskraftstelle haben“, erinnert sich Voß. Und tatsächlich, eine der beiden begehrten Stellen war neu zu besetzen. „Das war purer Zufall. Ich hatte Glück, dass damals ein Job zu vergeben war. Mittlerweile aber”, fügt sie hinzu, “ist mein Beruf wirklich meine Leidenschaft.“ Viele wichtige Kompetenzen für eine Bibliothekarin hat sie sich im Laufe der Zeit aneignen müssen. „Ein bisschen habe ich mitgebracht, vieles hat sich während des Studiums entwickelt und einiges kam dann später dazu.”
Eine Promotion und ein berufsbegleitendes informationswissenschaftliches Studium später kennt Voß die ULB mehr oder weniger in- und auswendig. Seit 2014 leitet sie im Dezernat Wissenschaftliche Bibliotheksdienste die Abteilung „Geisteswissenschaften 2“, die sich fachlich um die Sprachen und Literaturen der Welt und organisatorisch um die Bibliotheken im Fachbereich Philologie der Uni kümmert. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Organisation des Buchbestandes, das sogenannte Bestandsmanagement. Dazu gehört nicht nur der Erwerb von gedruckten und elektronischen Büchern, Zeitschriften und Datenbanken, sondern auch die Beratung von Institutsbibliotheken, wenn dort z.B. der Regalplatz knapp wird. Als Abteilungsleiterin ist sie zudem in die interne und externe Kommunikation von ULB-Services oder in die Personalentwicklung involviert.
Bessere Ausleihmöglichkeiten in Institutsbibliotheken?
Die fortschreitende Digitalisierung bestimmt auch das Bibliothekswesen. „Alte Katalogkarten werden oft nur noch für Notizen genutzt,“ sagt Voß. Und auch das Bibliothekssystem selbst werde immer technischer – nicht zuletzt aufgrund von Corona. Sie selbst lese immer noch am liebsten auf dem Papier. “Dennoch zeichnet sich ein digitales Umdenken ab, und die Pandemie hat diesen Prozess noch weiter beschleunigt. Beispielsweise haben viele Papier-affine Menschen die Vorzüge von E-Books erkannt, weil sie selbst in einem Lockdown zugänglich bleiben.”
“Corona-Effekte” ganz anderer Art machen sich in den Institutsbibliotheken bemerkbar. Hier waren bislang Ausleihen oft nur eingeschränkt möglich. Jetzt können Studierende mit den meisten Büchern auch eine Woche lang zu Hause arbeiten. Voß hofft, dass diese Ausnahmeregelungen der vergangenen Monate in den Regelbetrieb übergehen kann: „Ausleihen tun nicht weh! Vielleicht merken die Institute, dass weder Bücher verloren gehen noch Lehrende große Probleme haben werden, an Werke heranzukommen.“ Ob und wie es zu einem Umdenken kommt, werden Gespräche zeigen. In diesen wird sich Viola Voß mit Sicherheit als Beraterin engagieren. Und nicht nur das. Auf die Frage, ob sie ihren Job bis zur Rente ausführen möchte, antwortet die Ur-Münsteranerin schlicht: „Ja!“
Wie werden Bücher für die ULB erworben?
Vier Fragen an Viola Voß
Woher wissen Sie, welche Bücher die ULB erwerben sollte?
Viola Voß: Wir orientieren uns bei der Auswahl an verschiedenen Priorisierungsstufen. Neben gezielten Anschaffungsvorschlägen von Benutzer*innen sehen wir Fernleihen sowie Neuerscheinungslisten und Verlagsprospekte durch. Wir kaufen aber nicht einfach auf Verdacht, sondern haben immer den Nutzen, sprich die Lehre und Forschung an der Uni im Fokus. Trotzdem ist es manchmal schwer einschätzbar, ob sich wirklich jemand für genau diese Anschaffung interessieren wird.
Dass ein Buch spannend klingt, muss also nicht automatisch heißen, dass es auch angeschafft wird?
Viola Voß: Richtig! Ich persönlich finde zum Beispiel japanische Manga und Comics allgemein interessant, aber an unserer Universität gibt es bislang nur wenig Comic-Forschung. Außerdem erwerbe ich für die Zentralbibliothek keine Primärliteratur – historisch-kritische Ausgaben ausgenommen –, sondern nur Sekundärtexte. Primärliteratur, aber auch Sprachlehrwerke oder Unterrichtsmaterialien, fallen eher in den Zuständigkeitsbereich der Institutsbibliotheken.
Was hat sich beim Erwerbsprozess in den letzten Jahren geändert?
Viola Voß: Früher haben wir unter dem Motto „Ein Exemplar pro Bibliothek“ für die Zentralbibliothek ein Buch z.B. über einen Anschaffungsvorschlag erworben, auch wenn es bereits in einer Institutsbibliothek stand. Heute machen wir das nur noch selten, denn mittlerweile hat sich u.a. aus Platzgründen die „Ein Exemplar auf dem gesamten Campus“-Politik durchgesetzt. Da reicht es dann in den meisten Fällen, wenn das Buch in einer Institutsbibliothek vorhanden ist. Oft gehen wir sogar noch weiter: Wir erwerben Neuanschaffungen am liebsten als E-Book, da das den Zugang vereinfacht und auch Platz im Bücherregal spart. Allerdings ist der Kauf von E-Books oft schwieriger als der von gedruckten Büchern: Manche Verlage bieten ihr Programm nicht in elektronischer Form an, manche existierenden E‑Book-Angebote sind nur für Privatpersonen gedacht sind und stehen nicht als Campus-Lizenz zur Verfügung, oder ein Buch ist lediglich im Rahmen von Paketen erhältlich, aber nicht als Einzeltitel.
Während Ihrer Arbeit sitzen Sie ja hauptsächlich am Schreibtisch. Was tun Sie, um Ihren Berufsalltag etwas aufzulockern?
Viola Voß: Ich übernehme alle sechs Wochen eine Spätschicht an der “Info-Theke“ der Zentralbibliothek. Dadurch kommt man ein wenig aus seiner “Bürobubble” heraus und ins “richtige” Leben. Die Teilnahme an Austausch- und Fortbildungsveranstaltungen in anderen Bibliotheken und an Tagungen hilft beim Blick über den Tellerrand. Außerdem schaffe ich es manchmal, mir etwas Zeit freizuräumen, um selbst einen Vortrag zu halten.
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