Zwischen den Zeilen ins Ziel: Bettina Bergmann über die Arbeit als (freie) Lektorin

Bettina Bergmann zeigt: Der Weg in die Selbstständigkeit muss nicht geradlinig sein (Foto: Carsten Vogel).

Von Jule Suffner.

BWL-Studium abgebrochen, Volontariat nicht gemacht, dafür aber Imposter-Syndrom – Bettina Bergmann steht entspannt da und klatscht in die Hände: „Jetzt bin ich da!“ Mit „da” meint sie: angekommen in der Buchbranche – als freie Lektorin und befristete Verlagslektorin im Herder Verlag. Den Weg zur beruflichen Selbstständigkeit bezeichnet Bergmann selbst als „Geschichte des permanenten Scheiterns und permanenten Zufalls.“ Souverän und schwungvoll erzählt sie in ihrem Vortrag bei „Germanistik im Beruf” von ihrem Werdegang. Sie zeigt, dass es möglich ist: auch ohne ein Volontariat im Verlag und mit Imposter-Syndrom – dem Gefühl, den eigenen Erfolg nicht verdient zu haben. 

Bergmann beschreitet also einen für ihren Beruf eher untypischen Weg. Nach dem Abitur erhält sie mehrere Absagen von diversen Verlagen und entscheidet sich zunächst für eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation. Anschließend beginnt sie ein BWL-Studium, das sie nach einer nicht bestandenen Klausur abbricht. Stattdessen startet sie ihren Bachelor in Germanistik und Baltistik an der Universität Greifswald und daraufhin den Master in Vergleichender Literaturwissenschaft. „Der Studiengang war sehr klein, die Atmosphäre in den Seminaren oft familiär. Deshalb war es einfacher, eigene Schwerpunkte zu setzen“, erinnert sie sich. „Es war eine großartige Zeit.”

Ins Gleichgewicht stolpern 

Um ihr Studium finanzieren zu können, hat Bergmann in unterschiedlichen Jobs gearbeitet. „Selbst ein Nebenjob ist niemals umsonst!“, hebt sie hervor. „Durch meinen Job in einer Energieagentur zum Beispiel habe ich herausgefunden, dass ich gut im Homeoffice arbeiten kann.“ In der Gastronomie erlernt sie den Umgang mit Stress, als Assistentin im Front Office, wie effiziente Organisation und Planung aussieht, als wissenschaftliche Hilfskraft die Vorteile guter Kommunikation. Auch erste Erfahrungen im Lektorat und Korrektorat sammelt sie durch die Anstellung als studentische Hilfskraft. Alles Fähigkeiten, die ihr heute den Arbeitsalltag leichter machen. Inzwischen ist Bergmann in der Selbstständigkeit angekommen. Um ihren Kund:innenstamm aufzubauen, hat sie Netzwerken gelernt. Der Verband der freien Lektorinnen und Lektoren war eine der ersten Anlaufstellen. Und trotzdem: 2024 hat sie eine Stelle als Lektorin im politischen Sachbuch im Verlag Herder angenommen – für zwei Jahre. „Ich habe die Stelle tatsächlich bekommen – obwohl ich weder ein Volontariat noch ein Verlagspraktikum vorweisen kann. Offenbar hat meine langjährige Tätigkeit als freie Lektorin den Ausschlag gegeben.“ Der seit dem Abitur bestehende Traum, im Verlag zu arbeiten, erfüllt sich damit.

Auf dem Weg in die Selbstständigkeit ist jede Erfahrung nützlich (Foto: Carsten Vogel).

Nächstes Kapitel, bitte!

Als freie Lektorin und Verlagslektorin ist der Terminkalender gut gefüllt. Doch die Aufgabenbereiche variieren in beiden Tätigkeiten: Im freien Lektorat besteht die Hälfte der Arbeitszeit aus Textarbeit, ein Viertel aus Kommunikation mit Kund:innen und jeweils zehn Prozent aus Weiterbildung und Administration. „Die Arbeit im Verlag dagegen sieht ganz anders aus“, erklärt Bergmann. „Da arbeite ich nicht nur weniger mit Texten, sondern kümmere mich vor allem auch um die Kommunikation mit Autor:innen.” Hin und wieder stehen besondere Ereignisse an, beispielsweise die Buchmesse oder die jährliche Vertreter:innenkonferenz: „Das ist der mental anstrengendste Tag des Jahres für mich. Aber sowas gehört auch dazu.”

Leider kommt Bergmann in der Freizeit nur noch selten zur Privatlektüre. „Dafür liest man im Lektorat sehr viel. Ich bearbeite super gerne Sachbücher, bei denen ich etwas Neues lernen kann.“ Die thematische Vielfalt ist das, was ihr beim Lektorieren Freude bereitet. An die Studierenden appelliert sie lachend: „Macht diesen Job, wenn ihr gerne und viel arbeitet und euch viel Kommunikation und das gelegentliche Auffangen emotionaler Ausnahmezustände nichts ausmacht. Und wenn ihr es liebt, immer wieder kreativ zu werden!“ Eine endgültige Lösung für den Umgang mit dem Imposter-Syndrom hat sie leider noch nicht gefunden. Sie übersetzt es mit: „Am Anfang muss man sich gut verkaufen, auch wenn man noch gar nichts kann: Kompetenz bei völliger Ahnungslosigkeit.“