Stephanie Kratz: Auf Umwegen zum Traumberuf
Von Maren Becker.
Studierende der Geisteswissenschaften sehen sich oft mit dem Vorurteil konfrontiert, gemeinsam mit dem Studienabschluss ihren Taxischein ausgehändigt zu bekommen. Das Stigma der brotlosen Künste hängt wie ein Damoklesschwert über den Student*innen. Das dachte sich vermutlich auch Stephanie Kratz, nahm aber dennoch ein Studium in Germanistik, Theaterwissenschaften und Geschichte auf. Und trotz ihrer Promotion 1999 sah es zunächst so aus, als ob ihr Weg in eine andere Richtung führen würde.
Zunächst arbeitete sie an der WWU Münster an einem DFG-Forschungsprojekt mit. Darauf folgte ein Volontariat beim Verlag Kiepenheuer und Witsch (KiWi), eine Stelle als Lektorin bekam sie allerdings zunächst nicht. Um für den Verlag präsent zu bleiben, nahm sie dort jeden Job an, der sich ihr bot. Zum Beispiel war sie einige Zeit dafür zuständig, abgelehnte Manuskripte zurückzuschicken.
Im Jahr 2002 bekam Kratz dann eine Stelle als Pressereferentin bei KiWi. Nebenher arbeitete sie als freie Lektorin und kam so ihrem Ziel einen großen Schritt näher. Doch hauptberuflich als freie Lektorin tätig zu sein, kam für Kratz nie in Frage. Grund dafür ist die fehlende Sicherheit, zudem bevorzugt sie den belebenden Trubel im Verlag. 2006 war es so weit: Stephanie Kratz wurde als Lektorin im Bereich des Sachbuchs bei KiWi fest angestellt.
Mehr als ein Korrektiv im Schöpfungsprozess
Hier kann sie ihren Traum leben und mit bekannten Persönlichkeiten zusammenarbeiten. Der Grünen-Politiker Robert Habeck ist einer von ihnen. Unlängst erschien sein Buch “Wer wir sein könnten”, ein Buch über Sprache und Politik. Innerhalb weniger Monate wurde das Buch geschrieben und lektoriert. “Das war wie ein Ritt über den Bodensee. Im Sachbuchbereich ist das nicht unüblich, denn da sind die Bücher stark an das gekoppelt, was gerade öffentlich diskutiert wird. Da ist schnelles Handeln erforderlich.”
Auch den Film- und Theaterregisseur Christoph Schlingensief begleitete Kratz bei der Entstehung seines Krebstagebuches “So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein”. Es entstand ein intensiver Kontakt zwischen Kratz und dem namhaften Künstler.
Diese enge Bindung zwischen Autor*in und Lektor*in ist obligatorisch für KiWi, birgt aber auch die Gefahr, dass die Grenze zwischen Arbeits- und Privatbereich verschwimmen kann. Beim Umgang mit Autor*innen gibt es kein Patentrezept. “Natürlich ist man nicht immer mit allen Autoren auf einer Wellenlänge. Da ist manchmal schon schauspielerisches Talent erforderlich“, räumt sie ein. Doch grundsätzlich ist es die Aufgabe der Lektor*innen, sich den Bedürfnissen der Autor*innen anzupassen – „die sind die Könige, denn sie machen die kreative Arbeit.“
Die Begleitung der Autor*innen ist aber nicht mit der Veröffentlichung des Buches abgeschlossen. In den ersten Wochen danach steht Kratz täglich in Kontakt mit ihnen. Presseberichte, Verkaufszahlen und Rezensionen werden besprochen. Auch für die Pressearbeit ist Kratz als Lektorin manchmal mit verantwortlich. „Ich schiebe mich auf einer Buchmesse mit Herrn Habeck von Stand zu Stand“, erzählt sie lachend, und die Freude an ihrem mehr als vielfältigen Beruf ist ihr deutlich anzumerken.
Lektor*in als Schnittstelle
“Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren“, darin sieht Kratz ihre Hauptaufgabe. Nicht nur mit den Autor*innen, sondern auch mit dem Verlag. Hier ist sie mitunter auch Vermittlerin zwischen den Wünschen des Autors und den Wünschen des Marketings im Verlag, wenn es beispielsweise um die Frage der Covergestaltung eines Buches oder um die Titelfindung geht. Da muss sie auch mal die Wogen glätten: „Das kann sehr anstrengend werden, bis beide Seiten zufrieden sind.”
Kommunikation ist generell das A und O für Lektor*innen. „Ich rede viel“, gibt Kratz augenzwinkernd zu und erzählt, dass sie deshalb im Privaten nicht mehr gerne telefoniert. Damit räumt sie mit einem weiteren Mythos auf: „Das Lektorat ist nicht ausschließlich Textarbeit“. Diese umfasst einen Anteil von lediglich 20-25% ihres Jobs. Im Verlag kommt sie selten zum Lesen, weshalb sie sich oft nach Feierabend, an Wochenenden oder Feiertagen mit den Texten befassen muss.
Learning by doing
Kratz kennt das Vorurteil, die Geisteswissenschaften seien brotlose Künste und auch den harten Arbeitsmarkt im Bereich des Lektorats. Dennoch empfiehlt sie diesen Beruf weiter. Es gibt aber nicht nur einen Weg, um Lektor*in zu werden. Für den Erfolg, braucht es eine Besessenheit von Texten und ein Interesse am aktuellen Geschehen. Welche Themen sind gerade wichtig und welche können es werden? Lektor*in zu sein, bedeutet nicht nur Schreibtischarbeit, man muss auch bei Events wie der Berlinale oder auf Buchmessen und Lesungen Präsenz zeigen. „Und man muss sich auch mal die Nächte um die Ohren hauen können“, weiß Kratz und schließt: “Man wird zwar nicht reich, aber für mich ist er ein Traumjob. Er macht mir wahnsinnig viel Spaß.”
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