Christof Hamann: Aus Möglichkeiten entstehen Möglichkeiten entstehen Möglichkeiten

Ob als Professor oder Autor - Hamann sieht sich stets als Literaturvermittler. (Foto: Carsten Vogel)
Ob als Professor oder Autor – Hamann sieht sich stets als Literaturvermittler. (Foto: Carsten Vogel)

Von Luisa Bier.

Professor*in und Schriftsteller*in – das beschreibt sicherlich die Ideal-vorstellung vieler Geisteswissenschaftler*innen abseits des Lehramts. Christof Hamann ist beides und war bereit, im Rahmen der Veranstaltung “Germanistik im Beruf” über seinen Werdegang zu erzählen: über Selbst-darstellung, Resignation und die Notwendigkeit dranzubleiben.

Wenn man Christof Hamann etwas fragt, antwortet er äußerst bedacht. Jedes Wort ist wohlüberlegt und nahezu druckreif. Aber man merkt, wenn ihn etwas bewegt. Dann holen seine Arme weit aus. Dann ist er mittendrin. Bei dem Thema Literaturver-mittlung zum Beispiel: “Es gehört Begeisterung dazu, um Literatur vermitteln zu können. Die Lehre – auch in der Schule – finde ich toll. Aber Originalität und auch ein bisschen Genie – das kann man nicht beibringen.”

Seit 2013 lehrt Hamann an der Uni Köln. Studiert hat er Germanistik, Philosophie, Soziologie und Geschichte. “Geschichte nur ein bisschen”, korrigiert er lachend. Dann folgten Promotion, Habilitation, der Antritt seiner Professur. Darüber hinaus wurde sein erster Roman “Seegfrörne” veröffentlicht und dann ein zweiter und dann noch ein paar mehr. Als Autor und als Wissenschaftler hat er zahlreiche Stipendien und Preise erhalten. Immer mit einem Ziel: weiter schreiben zu können. Ob für die Uni oder für sich selbst, ist dabei fast egal.

Auslandsaufenthalte als Schreibimpuls


Ist wissenschaftliches und kreatives Schreiben denn wirklich miteinander vereinbar? “Kann, muss aber nicht. In meinem Falle hoffe ich, dass der kreative Einfluss die Literaturwissenschaft interessanter und weniger trock-en macht”, sagt er und lacht. Freiburg, Berlin, Dortmund, Köln, Basel, Lux-emburg, Warschau, New York … – in diesen Städten hat Hamann gelebt, ge-arbeitet, geschrieben: “Meine Auslandsaufenthalte und Projekte, die ich wegen der Wissenschaft machen darf, geben mir wiederum Anstoß für das literarische Schreiben.”

Ob als Professor oder Autor – Hamann sieht sich stets als Literaturvermittler. Am Institut für Deutsche Sprache und Literatur hat er die Literaturzeitschrift “Schliff” initiiert, die etablierte Wissenschaftler*innen, bekannte Autor*innen und auch Studierende zusammenbringt – eine Riesenmöglichkeit für Studierende, Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Dazu rät er immer wieder. Denn: nur Möglichkeiten eröffnen Möglichkeiten.

Das hat er selbst auch beherzigt. Im Literaturbetrieb hat er alles schon mal durchlaufen: Praktikum im Literaturhaus, freier Mitarbeiter für lokale und überregionale Tageszeitungen, Moderation, Mitglied in Literaturjurys, Lek-torat und Lehraufträge für mehr oder weniger oder gar kein Geld. “Klar ist das unfair, aber das gehört dazu. Bei der Literatur muss man erstmal kleine Schritte gehen. Man sollte sich aber nicht entmutigen lassen.” Mit dieser Einstellung hat er einiges gelernt. Zum Beispiel, was die Branche über junge Autor*innen denkt, dass man Literaturagent*innen niemals im Voraus be-zahlen darf und dass bei einem 600-Seiten-Werk mindestens 100 Seiten gekürzt werden. Vor allem: Wer schreiben will, muss einfach anfangen zu schreiben – aber in Ruhe: “Es ist für mich unbegreiflich, wie man jedes halbe Jahr ein Buch veröffentlichen kann. Jedes einzelne ist mühsam. Früher dachte ich, es würde irgendwann leichter. Aber es fällt jedes Mal gleich schwer.”

Früh aufstehen und schreiben


Disziplin ist gefragt. Jeden Morgen um 5 Uhr aufstehen und sich auf das Schreiben fokussieren. Hamann sagt über sich selbst, dass er sehr langsam und auch planlos schreibe. Vom Geschriebenen verwirft er dann wieder einiges. “Die Hauptsache ist dranbleiben. Das kann auch davorsitzen und nicht schreiben bedeuten. Oder kürzen und verwerfen. Kein Urlaub. Keine Pause. Nicht ausschlafen”, sagt Hamann und es scheint so, als würde das Schreiben ihm sogar fehlen.

Wie bringt er seine Bücher dann unter die Leute? Dazu lächelt er nur müde. “Das Wichtigste ist Selbstvermarktung.” Ihn kostet das genauso viel Über-windung wie die meisten Menschen. Das kann auch schon mal unangenehm werden. Wie damals, als er nach einer Lesung mit ein paar Blättern seiner Ge-dichte an einen deutschen Lyriker herantrat, um ihn zu fragen, ob er die mal lesen wolle. Nein, er habe Rückenprobleme und könne deshalb nichts mehr tragen, soll dieser geantwortet haben.

Wenn man es denn geschafft hat, einen Roman zu veröffentlichen, muss man sich noch der Kritik am Werk stellen. Wie geht man damit um? Will man sich da nicht manchmal einfach verkriechen? “Ja, natürlich gibt es Verrisse, da kommt man nicht drumherum. Das muss man eben schlucken und dann geht es weiter. Entweder lernt man, damit umzugehen oder man hört auf. Auch an der Uni wird man kritisiert. Die Literaturwissenschaft hilft jedoch, weil die Kritik oft netter ist.”

Wie schafft Hamann es neben dem Vollzeitjob als Professor, den Auslands-aufenthalten, dem Vernetzen und dem Schreiben auch noch ein Privatleben zu führen? “Meine Frau ist Künstlerin. Sie ist eine Wissenschaftlerin und Kreative. Unsere Wohnung ist ihr Atelier. Manchmal haben wir gemeinsame Projekte, beispielsweise beim Schliff. Aber sonst ist sie in eigene Projekte involviert. Anders geht es auch nicht. Wenn sie immer Freizeit machen wollte und ausgehen… Nein, das geht nicht”, erklärt Hamann schmunzelnd und dabei wirkt er sehr zufrieden.