Volker Harm im Interview: „Arbeiten am Wörterbuch war immer mein Traum“
Von Sophia Grewe.
Volker Harm ist Leiter der Arbeitsstelle „Wortgeschichte digital“, einem Teilprojekt des Zentrums für digitale Lexikografie der deutschen Sprache in Göttingen. Studiert hat er an der Philipps-Universität Marburg u.a. Deutsche Sprache und Literatur. Seine Forschungsschwerpunkte sind Lexikologie und Lexikografie, historische Grammatik des Deutschen und Konstruktionsgrammatik. Das Ziel der Arbeitsstelle ist es, die Bedeutungsgeschichte des deutschen Wortschatzes von ca. 1600 bis heute in seinen Grundzügen zu beschreiben.
Wussten Sie von Anfang an, dass Sie beruflich in der Lexikografie arbeiten wollen?
Volker Harm: Seit meinem Studium bin ich sehr an dem Thema interessiert. Ich habe auch meine Dissertation darüber geschrieben. Die Arbeit am Wörterbuch ist das, was ich immer machen wollte. Jetzt bin ich verantwortlich für „Wortgeschichte digital“ – mein Traumberuf!
Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit besonders wichtig?
Volker Harm: Unser Anspruch ist es, wissenschaftlich zu arbeiten und einen klaren, sachlichen und nüchternen Stil zu verwenden. Wir möchten auf kompakte Weise viele Informationen vermitteln.
„Wortgeschichte digital“ ist ein Online-Wörterbuch, das trotz seines historischen Charakters sehr weit in die Gegenwart hineinreicht. Werden auch aktuelle Wörter aufgenommen?
Volker Harm: Die Belege können aus dem Jahr 2018 stammen, aber selbst 2020 kann nicht ausgeschlossen werden. Wenn wir eine feste Grenze ziehen, schneiden wir Entwicklungen gerade da ab, wo es für Nutzer*innen interessant wird. Ein Beispiel: Der Begriff „alternative Fakten“ ist höchst aktuell. Nur „alternativ“ als Lehnwort aus dem 17. Jahrhundert zu kennzeichnen, wäre deshalb ungeschickt und vielleicht sogar enttäuschend. Allerdings arbeiten wir nicht mit Wortneubildungen, die es erst seit einigen Jahren gibt, wie beispielsweise „tindern“ oder „whatsappen“.
Sie haben von Ihren Nutzer*innen gesprochen. Wer genau ist denn Ihre Zielgruppe?
Volker Harm: Wir versuchen eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen. Unsere Nutzer*innen sind an Sprache und Wortgeschichte interessiert, ansonsten aber nicht näher definiert. Sie greifen meistens auf „Wortgeschichte digital“ zurück, weil sie durch aktuelle Diskussionen auf Wörter gestoßen sind, zu denen sie nähere Informationen suchen.
„Wortgeschichte digital“ ist ein relativ unbekanntes Nachschlagewerk. Gibt es Versuche, den Bekanntheitsgrad zu erhöhen?
Volker Harm: Natürlich. Das gesamte Zentrum für digitale Lexikografie der deutschen Sprache mit Sitz in Berlin hat lediglich eine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, deren Mittel begrenzt sind. Wir versuchen mit sozialen Netzwerken zu arbeiten, z.B. Twitter. Trotzdem liegen die täglichen Zugriffszahlen von „Wortgeschichte digital“ weiterhin leider nur im zweistelligen Bereich.
Wo werden eigentlich Stellen für die Lexikografie ausgeschrieben?
Volker Harm: Über die Wochenzeitung „Die Zeit“, academics.edu oder H-GERMANISTIK. Es gibt sieben „Akademien für Wissenschaften“ mit ca. 1000 Beschäftigten in Deutschland. Bewerben sie sich!
Welche Voraussetzungen müssen Studierende erfüllen?
Volker Harm: Lexikografie ist ein eigenes Studienfach. Ein Abschluss in Germanistik, am besten mit dem Schwerpunkt Sprache, qualifiziert sie aber auch.
Danke für Ihre Zeit und das Beantworten der Fragen!
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