Mut, Offenheit und Diplomatie – Johanna Hinz über ihre Zeit als Lektorin im Ausland

Johanna Hinz im Interview (Foto: Carsten Vogel).

Von Michael Meyering.

Sie hat bereits Deutsch als Fremdsprache in Ländern wie Island und Polen unterrichtet. Im Interview spricht die Sprachwissenschaftlerin Johanna Hinz über Chancen und Karrieremöglichkeiten, die Lektor:innen beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) haben.

Das Arbeiten im Ausland ist oft mit falschen Erwartungen verbunden. Haben Sie sich die Tätigkeit beim DAAD so vorgestellt, wie sie letztlich war?

Johanna Hinz: Ja, das kam für mich nicht überraschend, ich wurde von nichts Neuem überrollt. Als ich mich für die Sprachassistenz und später für das Lektorat in Polen beworben habe, kannte ich die Strukturen vor Ort. Vor allem, weil ich bereits in Reykjavík mit einer DAAD-Lektorin zusammenarbeiten durfte. In Polen war es von Vorteil, dass meine Vorgängerin eine Übergabe gemacht hat und ich so genügend Zeit hatte, in Zielona Góra anzukommen. Hinzu kommt natürlich, dass ich Polen sehr gut kenne, weil ich in Warschau geboren wurde.

Muss man die Sprache des Landes, in das man reisen möchte, eigentlich beherrschen?

Hinz: Nein, überhaupt nicht! Manche Standorte listen Kenntnisse in der Landessprache als Bewerbungsvoraussetzung auf. In Polen waren Polnischkenntnisse zwar gerne gesehen, aber nicht obligatorisch. Viele Lektor:innen, die keine polnischen Muttersprachler waren, haben im Vorfeld oder auch während ihres Aufenthalts Polnischkurse besucht.

Welche Fähigkeiten braucht es, um erfolgreich Deutsch im Ausland zu lehren?

Hinz: Um in einem fremden Land klarzukommen, helfen Offenheit und Optimismus. Ein bisschen Mut braucht es auch. Wirklich wichtig aber ist interkulturelles Wissen. Heutzutage wissen wir viel besser als früher, wie es in anderen Ländern aussieht. Wir können zum Beispiel am Leben von Influencer:innen teilhaben, die in dem jeweiligen Land geboren sind oder vielleicht ihr Leben als Deutschlehrer:in im Ausland dokumentieren. Interkulturelle Unterschiede sind oft ein Grund dafür, dass man etwas missversteht. Mir hat es da sehr geholfen, sensibel vorzugehen, also diplomatisch zu sein und die Harmonie zu wahren.

Gibt es denn auch die Möglichkeit, mehr als nur die Stadt, in der man arbeitet, kennenzulernen?

Hinz: Absolut. Beim DAAD gibt es sogenannte Regionaltreffen, die mindestens einmal im Jahr stattfinden. Dort treffen sich dann alle Lektor:innen eines Landes oder einer Region und tauschen sich aus. Aber es gibt auch viele kulturelle Events, zu denen man eingeladen wird. Man reist quasi permanent durchs Land und lernt viele neue Ecken kennen, was wirklich grandios ist. Es gibt auch kleinere Länder, die sich zusammenschließen, sodass man für Regionaltreffen und Projekte in andere Länder reisen kann. Und allein auf dem jährlich stattfindenden Sommertreffen in Bonn – dem zentralen Sitz des DAAD – habe ich Lektor:innen aus der ganzen Welt kennengelernt und mein Netzwerk vergrößert. Also ja, man kommt auf jeden Fall rum.  

Haben Sie da überhaupt noch Zeit, privat zu verreisen?

Hinz: Ja klar. Auch in Polen gibt es Semesterferien und Prüfungsphasen. Das heißt, dass die Abläufe ein wenig anders sind als in Deutschland. Am Anfang der Ferien sind Prüfungen und am Ende gibt es noch eine Phase, in der diese nachgeholt werden können. Dazwischen kann man durchaus Urlaub einreichen und die freie Zeit für sich selbst nutzen.

Gibt es beim DAAD eine Altersbegrenzung, bis zu der man sich bewerben kann?

Hinz: Früher gab es das, ja. Mittlerweile ist es so, dass Lektor:innen bis zu 40 Jahren bevorzugt eingestellt werden. Was jedoch nicht heißt, dass ältere Bewerber:innen gar keine Chance haben. Als ich mich damals beworben habe, war das tatsächlich kein Thema (lacht).

Dann könnte man ja auch nochmal im Rentenalter als Lektor:in arbeiten.

Hinz: Das wäre total cool! Ich halte mir diese Möglichkeit auf jeden Fall offen (lacht). 

Konnten Sie während Ihrer Zeit beim DAAD viele Kontakte knüpfen?

Hinz: Ja, sogar sehr viele und sehr enge. Gerade im Ausland ist Netzwerken das A und O. Das bleibt auch wichtig für die Zeit nach dem Lektorat. Ich hätte mich zum Beispiel bei einer deutschen Botschaft bewerben können. In meinem Fall wurden Stellenanzeigen für die Botschaft in Warschau an Lektor:innen weitergeleitet. Auch das Goethe-Institut wäre eine Option gewesen. Das hat ebenfalls einen Sitz in Warschau. Einer meiner Kollegen ist nach seiner Zeit beim DAAD dorthin gegangen.

Was haben Sie aus Ihrer Zeit im Ausland am meisten mitgenommen?

Hinz: Diplomatie. Wenn man empathisch ist, Personen aussprechen lässt und sich andere Meinungen anhört, hat man schon viel gewonnen. Und das kann ich auch in Deutschland sehr gut gebrauchen!

Hätten Sie abschließend eine Empfehlung für Studierende?

Hinz: Ein guter Tipp ist, beim DAAD mit der Sprachassistenz anzufangen. Das damit verbundene Rahmenprogramm und das Netzwerk sind großartig. Als Sprachassistentin hatte ich die Möglichkeit, an kulturellen Events teilzunehmen, an denen ich sonst wahrscheinlich niemals hätte teilnehmen können. Inzwischen hat das Sprachassistentenprogramm den Namen „Deutschlehren.International“, ist inhaltlich jedoch immer noch das gleiche wie damals. Das ist ein toller Einstieg, vor allem, wenn man Lehrerfahrung sammeln möchte.