„Ich habe das Gefühl, wirklich angekommen zu sein“: Victoria Weich über ihre Arbeit als Dramaturgin am Theater Münster

Begeisterungsfähigkeit für neue Themen ist eine wichtige Voraussetzung für dramaturgische Arbeit (Foto: Carsten Vogel).

Von Fenja Henrichs.

Als Dramaturgin haben Sie u.a. die Arbeit an der Bühnenadaption von Sybille Bergs immerhin 700 Seiten umfassenden Roman „RCE Remote Code Execution“ aus dem Jahr 2022 begleitet. Liegen Romanadaptionen fürs Theater momentan im Trend?

Victoria Weich: Das Schöne an Romanen ist doch, dass es so viele davon gibt und sie als reichhaltige Adaptions-Grundlage fürs Theater dienen können. In Münster setzen wir uns als Dramaturgie-Team sehr gerne mit der Gegenwartsliteratur auseinander, weil wir davon ausgehen, dass Autor:innen eine Art Seismograph sind, die ein Gespür dafür haben, worum es gerade in der Welt geht.

Im Augenblick bieten Sie an der Uni Münster das Seminar „Theater sehen und beschreiben – Dramaturgie in der Praxis“ an. Wie ist das, Studierenden etwas über Theaterpraxis zu vermitteln?

Weich: Sehr bereichernd! Wir lesen und besprechen im Seminar gemeinsam Theatertexte und schauen uns dann die Inszenierungen dazu an. Es geht darum, professionelle Kategorien dafür zu finden, wie die Texte auf die Bühne gebracht werden. Außerdem ist das Seminar eine gute Gelegenheit, sich mit jungen Menschen auszutauschen. Schließlich haben wir uns als Dramaturgie-Team in Münster vorgenommen, Theaterstücke zu machen, die genau dieses Publikum ansprechen.

Haben Sie Tipps für Germanistik-Studierende, die sich für Dramaturgie als Beruf interessieren?

Weich: Am besten, so oft wie möglich ins Theater gehen! Auf diese Weise kann man herausfinden, was einen interessiert und warum. Selbst wenn das Theaterstück einen total langweilt, kann man eine Menge daraus lernen. Generell ist es wichtig, sich anzugewöhnen, Inszenierungen analytisch wahrzunehmen. Dabei kann das Germanistik-Studium hilfreich sein. Außerdem sollte man sich auch mal jenseits der Uni mit nicht-kanonischen Texten auseinandersetzen. Das erweitert die eigene Lese- und Seherfahrung.

Welche Fähigkeiten muss man mitbringen, wenn man Dramaturg:in werden will?

Weich: Man braucht vor allem Begeisterungsfähigkeit für neue Themen! Bei Sibylle Bergs Roman zum Beispiel habe ich angefangen, mich auch mit Kryptowährung und Nanotechnologie auseinanderzusetzen. Das war neu für mich, aber man liest sich ein und recherchiert.

Gehen Sie auch privat ins Theater?

Weich: (lacht) Privat ins Theater gehen kann ich nicht mehr wirklich. Ich habe immer das Gefühl, Theater auf eine möglichst professionelle Art schauen zu müssen – was nicht heißt, dass ich ein Stück nicht auch genießen kann. Beim Musiktheater habe ich dieses „Problem“ nicht.

In Ihrem Beruf muss man oft Wohnort und Theater wechseln. Liegt ein solcher Wechsel bei Ihnen demnächst an?

Weich: Auf keinen Fall! Ich bin ja erst zwei Jahre am Theater Münster und habe gerade das Gefühl, wirklich angekommen zu sein und tolles Theater machen zu können. Es ist also noch nicht wieder an der Zeit, das kleine Rucksäckchen zu packen. Diese „serielle Sesshaftigkeit“ hat durchaus längere Phasen!

Eine Frage zum Schluss: Worauf freuen Sie sich in der kommenden Spielzeit am meisten?

Weich: Momentan arbeite ich an meiner ersten Produktion, sie heißt „Liebes Arschloch” und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Virginie Despentes, den ich für die Bühne bearbeitet habe. Außerdem gibt es in der kommenden Spielzeit elf tolle Stücke, und ich kann mich nicht entscheiden, welche ich am interessantesten finde.

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