Zwischen Text und TikTok – Bettina Bergmann und Daniel Walczak über zwei besondere Wege, selbstständig zu sein

Von Jan-Michel Brehm und Carlotta Habe.
Zwei Referierende, ein gemeinsames Thema: die Selbstständigkeit. Und zwei Perspektiven, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Im Rahmen des Workshops „Germanistik im Beruf“ treffen Bettina Bergmann und Daniel Walczak aufeinander. Bergmann hat sich als freie Lektorin bereits einen langjährigen Traum erfüllt. Ganz anders Walczak, besser bekannt als „Der Germanist“: Er jongliert noch zwischen Germanistikstudium und seiner Rolle als Content Creator auf Social Media. Beide gewähren Einblicke in ihren Alltag und teilen ihre Erfahrungen zum Thema des Workshops.
Kompetenz, Werte, Offenheit für Neues
Ganz in dem Bewusstsein, den „perfekten Job“ gefunden zu haben, beginnt Bergmann ihren Vortrag. Dabei brauchte sie eine große Portion Mut, um gleich nach dem Master-Abschluss in Vergleichender Literaturwissenschaft in die Selbstständigkeit zu gehen. Schlaflose Nächte und Existenzängste prägten diese Zeit. „Nach einem Jahr aufzugeben, hielt ich damals für eine dumme Idee“, sagt Bergmann. Deshalb blieb sie am Ball. Wie schafft man es, erfolgreich zu werden und zu bleiben? In erster Linie hilft ein solider Business- und Finanzplan sowie die Fähigkeit, seine Zielgruppe möglichst präzise anzusprechen. „Am Anfang muss man sich gut verkaufen, auch wenn man noch gar nichts kann: Kompetenz bei völliger Ahnungslosigkeit.“
Mittlerweile hat sich Bergmann als Marke etabliert. Auch fällt es ihr heute leichter, Entscheidungen zu treffen. „Früher habe ich fast alle Aufträge angenommen. Jetzt weiß ich, dass ich das nicht muss.“ Das wichtigste Auswahlkriterium bleiben ihr die eigenen Werte: „Der Verein Deutsche Sprache lehnt das Gendern ab. Für mich ist geschlechtergerechte Sprache wichtig. In diesem Fall muss man sich nicht erklären, sondern kann eine Zusammenarbeit auch freundlich absagen.“
Zugleich ist es für die freie Lektorin wichtig, offen für Neues zu sein. Vor Kurzem erhielt Bergmann eine befristete Anstellung beim Herder Verlag, wo sie im Augenblick parallel zu ihrer freiberuflichen Tätigkeit arbeitet. Offen ist sie zudem gegenüber KI-Anwendungen. Auf die Frage, ob zum Beispiel ChatGPT ihren Job womöglich überflüssig macht, antwortet sie optimistisch: „Künstliche Intelligenz wird einen Text nicht so überarbeiten können, dass man ihn danach ungelesen veröffentlichen kann. So weit ist ChatGPT im Augenblick zum Glück noch nicht.“
Hashtag „Hörsaal Hochdeutsch”
Daniel Walczak erstellt auf Instagram Beiträge zum Thema deutsche Sprache. Beispielsweise, was dasselbe von das gleiche unterscheidet. Oder warum man manchmal nur Bahnhof versteht. Der 22-Jährige, der in Düsseldorf Germanistik und Politikwissenschaft studiert, erzählt unterhaltsam über seinen Werdegang und die Herausforderungen, die seine Präsenz in den sozialen Medien mit sich bringt. Angefangen hat er mit dem Erstellen von Meme-Seiten in der Schulzeit. Dass daraus ein erfolgreiches Projekt würde, war überhaupt nicht absehbar. „Mein erster Beitrag sah fürchterlich aus”, schmunzelt Walczak. „Schriftart Comic Sans und Papier-Hintergrund!“ Bis zur ersten Werbepartnerschaft hat sich dann aber viel verändert. Heute finanziert er seinen Account über Kooperationen mit unterschiedlichen Unternehmen, wobei das Studium Vorrang hat: „Ich würde immer eher an einer Hausarbeit arbeiten, als an einem Insta-Post.“
Mit stetig wachsender Reichweite auf Instagram – fast 200.000 Follower:innen, virale Storys, Posts und Reels – kamen auch Gegenwind und Kritik. Besonders sein Account-Name „Der Germanist“ sorgte für Nachfragen aus der linguistischen Community. Wie geht man damit um, wenn plötzlich die Social-Media-Bühne auf den wissenschaftlichen Diskurs trifft? „Wenn man selbstständig ist, trifft es einen direkt“, sagt Walczak. „Man muss allein entscheiden, wie man reagiert.“
Inzwischen setzt er auf einen sachlicheren Ton: Anstatt Sprachregeln zu predigen, erklärt er Herkunft und Bedeutung von Redewendungen, macht Etymologie spannend und verständlich. Den Namen „Der Germanist“ trägt er weiter – auch wenn er heute sagt, dass er sich damit nicht mehr ganz wohl fühle. Beim Workshop „Germanistik im Beruf” spricht Walczak zum ersten Mal an einer anderen Universität über seine Social-Media-Arbeit – für ihn eine neue Erfahrung: „Es freut mich, auch mal andere Leute volllabern zu können, als nur meine Freunde und meine Familie“, sagt er lachend.
Der Workshop führt zwei Formen von Selbstständigkeit zusammen und hat einen lebendigen und authentischen Blick auf das Thema geworfen. Ob mit Businessplan oder Bildschirmpräsenz, im Lektorat oder im Insta-Feed – von Bergmann und Walczak werden Entscheidungskraft und Haltung verlangt. Und auch die Bereitschaft, sich Kritik zu stellen. Beide Gäste zeigen auf jeweils ihre eigene Art und Weise, wie Selbstständigkeit heute aussehen kann – und was sie mit einem macht.
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