Zwischen künstlicher Intelligenz und Deutsch als Fremdsprache: Alina Hemmer und Johanna Hinz über Sprachwissenschaft im Beruf

Nach ihren Vorträgen kommen Alina Hemmer und Johanna Hinz ins Gespräch (Foto: Carsten Vogel).

Von Finn Lanowski und Gabriela Martha Yündem.

Es ist immer von Vorteil, wenn sich in einem Workshop die Referentinnen verstehen und am Ende miteinander ins Gespräch kommen. So auch beim Workshop „Germanistik im Beruf“ im Wintersemester 2024/25. Alina Hemmer und Johanna Hinz sind sich einig, dass es im Alltag und im Beruf einen Mittelweg zwischen Digitalem und Analogem braucht. „Die Mischung ist wichtig“, sagt Hemmer und fügt hinzu: „Ich habe für jeden Job ein eigenes Notizbuch“. Das gefällt Johanna Hinz, denn sie hat mit „Calearndar” einen analogen Lernplaner erfunden. Der Workshop, bei dem die ehemalige DAAD-Lektorin Hinz und die Start-up-Geschäftsführerin Hemmer referieren, steht diesmal unter dem Thema Sprachwissenschaft im Beruf. 

Von der Sprachassistenz zu Calearndar

Selbstbewusst und voller Elan eröffnet Hinz ihren Vortrag mit einem Einblick in ihren beruflichen Werdegang, der mit der Sprachassistenz an einem Gymnasium im niederländischen Heeswijk-Dinther beginnt. Diese erste Auslandserfahrung erweitert sie durch ihre Tätigkeit als Lehrkraft bei Sommerjugendkursen des Goethe-Instituts, wo sie Studierende aus aller Welt betreut und in Deutsch unterrichtet. „Es ist wichtig, schon während des Studiums Praxiserfahrungen zu sammeln. Gerade im Bereich „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF) habe ich damals didaktisch sehr viel gelernt”, sagt Hinz.  

Der Schwerpunkt des Vortrags liegt auf ihrer Arbeit beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Dort gestaltet sie als Lektorin Kurse zur deutschen Sprache, Landeskunde und Literatur. Sie betreut zudem Studienprogramme und organisiert kulturelle Veranstaltungen. „Als DAAD-Lektorin zu arbeiten, bietet viele Vorteile. Man hat Zugriff auf Lehrmaterialien, kann sich vernetzen und ist finanziell abgesichert.” Detailliert beschreibt sie, wie ihr sprachwissenschaftliches Wissen auch bei ihrem neuen Projekt praktische Anwendung findet. Der von ihr entwickelte Lernplaner Calearndar soll Lernenden helfen, Lernprozesse effektiver zu gestalten und Kompetenzen zu fördern. 

Mit Deutsch und Latein zur Unternehmensgründung

Alina Hemmer, die zweite Referentin im Workshop, ist mit ihrer Arbeit am Puls der Zeit. Sie ist in ihrem Startup „colloc.AI” als Geschäftsführerin tätig und arbeitet als Linguistin an der Schnittstelle von Sprache und Technik. Die Nachwehen einer Erkältung halten sie nicht davon ab, von ihrem Werdegang zu berichten. Ruhig und besonnen erzählt sie von ihrer eigenen Biografie, den Vorteilen und Hindernissen der frühen Unternehmensgründung und den Chancen, die das Thema Künstliche Intelligenz (KI) für Linguist:innen bereithält. „colloc.AI setzt sich übrigens zusammen aus dem lateinischen colloqui und der gängigen englischen Abkürzung für Künstliche Intelligenz, AI“, sagt Hemmer.

Die Unternehmerin studierte nämlich Latein und Deutsch auf Lehramt an der Universität Münster, wollte sich aber von Anfang an Möglichkeiten jenseits einer schulischen Laufbahn offenhalten. Deshalb studiert sie parallel zum Master of Education den Studiengang „Angewandte Sprachwissenschaft”. Schon in dieser Zeit kommt sie mit dem Thema KI in Berührung. „Das war damals aber noch nicht das, was es heute ist. Mittlerweile ist KI ja zu einem absoluten Hype-Thema geworden“, sagt Hemmer und spielt damit vor allem auf die Veröffentlichung von ChatGPT an. Offenbar hat sie diesen Hype schon sehr früh erkannt, denn bereits im Juli 2021 gründet sie gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner, dem Wirtschaftsinformatiker Tobias Zimmermann, noch vor Abschluss des Masterstudienganges ihr eigenes Unternehmen. „Ich würde es nicht wieder so machen“, sagt sie heute. „Mit Buchhaltung, Projektakquise, Konzeption und Marketing lag einfach zu viel auf einmal an. Im Nachhinein hätten wir die Idee länger reifen lassen oder früher extern Unterstützung holen sollen.”

Auf die Mischung kommt es an

Auf den ersten Blick hat die Linguistik wenig mit dem technischen Feld der KI zu tun. Hemmer wirbt aus diesem Grund für die Sprachwissenschaft als Vermittlerin zwischen Informatik und den Geisteswissenschaften: „Wir müssen unseren Kompetenzbereich erweitern, um mitreden zu können.“ Das sieht Johanna Hinz genauso und spricht mit Alina Hemmer über die Vielfältigkeit von Sprachwissenschaft im Beruf und über die Flexibilität, die Selbstständigkeit mit sich bringt. Nicht nur, dass die Referentinnen im Anschluss des Workshops ins Gespräch kommen. Ein weiterer Vorteil in einem Workshop zeigt sich, wenn die Teilnehmenden (so viele wie noch nie) ihnen mit spannenden Fragen weitere interessante Details entlocken. Insbesondere dann, wenn es um doch sehr unterschiedliche Tätigkeiten geht. Für Workshops gilt eben dasselbe wie für Alltag und Beruf: Die Mischung ist wichtig.