Komplett korrekt: Einblicke in die Arbeit einer Wörterbuchredaktion
Von Pauline Peters.
Student*innen kennen das: Wie um alles in der Welt schreibt man nochmal „Portmonee“? Und wird „noch mal“ zusammengeschrieben oder nicht? Glücklicherweise hilft dann ein kleiner Blick in den Duden. Wörterbücher im Allgemeinen unterstützen die Arbeit von Germanist*innen und sind für alle, die in Diktaten eine Niete waren, eine echte Lebenserleichterung. Für die Gäste des Workshops „Germanistik im Beruf“ spielen Wörterbücher eine besondere Rolle. Kathrin Kunkel-Razum, Leiterin der Wörterbuchredaktion beim Dudenverlag, und Volker Harm, Leiter des Projekts „Wortgeschichte digital“, sind im Rahmen einer Videokonferenz zugeschaltet. Beide sind im Homeoffice: Sie sitzen an ihrem Schreibtisch, tragen ein Headset und sind umgeben von Büchern. Die Atmosphäre des Workshops ist insgesamt locker. Sowohl die Gäste als auch die Student*innen blicken der Veranstaltung gespannt entgegen.
Von den “Geisterspielen” zur Münchner “Wiesn” – ein abwechslungsreicher Arbeitsalltag
Den Einstieg macht Kunkel-Razum. Gut gelaunt erklärt sie die mit vielen Informationen gespickten Folien ihrer Power-Point-Präsentation. Ihr 45-minütiger Vortrag beginnt mit einem historischen Rückblick, d.h. mit Konrad Duden: „Der ehemalige Gymnasiallehrer und Gründer des gleichnamigen Wörterbuchs galt als streng und pedantisch. Dabei war er eigentlich humorvoll und kreativ.“
Dann schlägt Kunkel-Razum die Brücke zur Gegenwart. Der Duden ist längst nicht mehr nur ein reines Wörterbuch, denn inzwischen bietet der Verlag auch diverse Sach- und Debattenbücher, zum Beispiel über gendergerechte Sprache.
Natürlich gibt es den Duden auch online, seit 2011 sogar kostenlos. Die Haupteinnahmequelle bildet allerdings weiterhin die Printversion. Vor allem, weil nach wie vor viele Schulen damit ausgestattet werden. Die Online-Version wird ständig überarbeitet, die Printausgabe erscheint alle 3-4 Jahre neu, erst im August 2020 kam die 28. Auflage heraus. Neu dazugekommen sind fast 3.000 Wörter, gestrichen wurden 300. Insgesamt umfasst der gedruckte Duden etwa 148.000 Wörter. „Aktuell sorgt die Coronakrise für viele Wortneuschöpfungen“, berichtet Kunkel-Razum. „Aber nicht jedes neue Wort schafft es auch automatisch in den Duden. Begriffe wie ‚Geisterspiel‘ oder ‚Ansteckungskette‘ hatten vergleichsweise gute Chancen. Ob ‚Coronafrisur‘ jemals im Duden stehen wird, ist jedoch eher fraglich.“
Als Leiterin der Dudenredaktion ist Kunkel-Razum in ihrem beruflichen Alltag insbesondere wegen ihres Aufgabenspektrums viel gefordert. Da gibt es dann nicht nur Redaktionssitzungen, sondern auch Telefonate mit ZDF & Co. und Auseinandersetzungen mit Leser*innen. „Man versucht sogar, uns zu bestechen!“, scherzt sie, „glücklicherweise nicht erfolgreich! Aber die ‚Wiesn‘ war uns lange durchgerutscht, dann hat uns ein Radiosender darauf aufmerksam gemacht.“ Die hat es nun also erst nach dem ‚Wasn‘ in den Duden geschafft. Und so unterlaufen auch der strengen Wörterbuchredaktion hin und wieder Fehler. Aufmerksam lesende Kritiker*innen sind in solchen Situationen immer eine Hilfe.
Vom „Deutschen Wörterbuch“ zur „Wortgeschichte digital“
Auch Volker Harm beginnt mit einer historischen Perspektive, indem er den Blick auf das Grimm’sche Wörterbuch lenkt, das in 33 Bänden erschienen ist. Bereits in den 1950er Jahren wurde eine Neubearbeitung in Angriff genommen, die allerdings nicht über die ersten neun Bände hinausgekommen ist. Die zuständige Akademie der Wissenschaften hatte sich u.a. wegen der Kosten und des Aufwands gegen eine Fortsetzung des Projekts entschieden. Nachfolger des „Deutschen Wörterbuchs“ wurde „Wortgeschichte digital“ – ein Online-Wörterbuch, das Stichworte von 1600 bis zum Gegenwartsdeutsch umfasst. Entsprechend groß ist das Projekt, an dem insgesamt vier wissenschaftliche Mitarbeiter*innen unter Harms Leitung beteiligt sind. Anders als im „Deutschen Wörterbuch“ der Brüder Grimm geht es hier darum, die Bedeutungsgeschichte einzelner Wörter umfassend darzustellen.
„Mein Arbeitsalltag besteht zum großen Teil darin, Lemmata, also Stichworte auszuwählen und die zugehörigen Belege zu bearbeiten“, erläutert Harm. „Dazu kommt die Recherche. Die Ergebnisse werden abschließend vom Redaktionsteam geprüft.“ Die Redaktion der einzelnen Artikel macht einen großen Teil seiner Tätigkeit aus. „Eine Schwachstelle hat das Projekt leider, und das ist unsere Öffentlichkeitsarbeit“, gibt Harm zu bedenken. Das soll sich aber ändern, beispielsweise durch die Verwendung von Social Media wie Twitter. Harm wirbt engagiert für sein Projekt er ist zuversichtlich, dass es in Zukunft mehr Beachtung finden wird.
Kunkel-Razum und Harm haben beide Germanistik studiert – Kunkel-Razum in Leipzig, Harm in Marburg. Die im Studium erworbene Sprachkompetenz und das leidenschaftliche Interesse an Sprache sind eine notwendige Voraussetzung für die Arbeit in einer Wörterbuchredaktion. Eine Arbeit, die vor allem wegen der Digitalisierung Zukunft hat – sei es, im Hinblick auf Gegenwartssprache oder in historischer Perspektive.
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